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Klassik aus dem Kaffeehaus

■ Neue „Melodiewelle“ auf Radio Bremen 3 für ältere Hörer/ Programmchef Vinke: altes Wellen-Konzept „gescheitert“

Das Konzept der vier Wellen von Radio Bremen wird nach nur anderthalb Jahren wieder umgeworfen (vgl. taz 16.2.). Für Hörfunk-Programmdirektor Hermann Vinke ist „der Versuch gescheitert“ – das bezieht sich vor allem auf den „Spagat“ der Hansawelle: Dort versucht der Sender, mit einer gemischten Musikfarbe die „mittlere“ und die „ältere“ Hörerschicht gleichermaßen anzusprechen. Der Spagat ist mißlungen. Die Konsequenz: Die Hansawelle wird weiter „verjüngt“, ganz nach Wunsch von Wellenchef Christian Berg; für die Älteren aber soll es eine neue „Melodienwelle“ auf Bremen 3 geben, dem erfolgreichen WDR 4 nachempfunden.

Wie das Dritte in Zukunft aussehen soll, darum wird derzeit bei Radio Bremen intern gestritten – nach den Vorstellungen des Programmdirektors sollen deutsche Schlager gesendet werden, nachmittags aber auch leichte Klassik („Kaffeehausmusik“, sagt Vinke), und abends möglicherweise anspruchsvollere Klassik, wenn es dafür keinen anderen Platz gibt. Vinke weiß, daß abends eh kaum jemand Radio hört. Ein großer Teil der bremenspezifischen Wort-Beiträge der Hansawelle soll dabei auch im Dritten zu hören sein. Denn: „Keine Stelle mehr“ darf das neue 3. Programm kosten.

Das bisherige Dritte, die Klassik-Welle, hat nach den neuesten „Trend-Monitor“-Umfragen kaum noch Hörer – „gegen Null“ tendiert die meßbare Reichweite, sagt Vinke. Er hatte sich 1992 für diesen Versuch stark gemacht, aber wenn die Resonanz ausbleibt, kann er „mit dem besten öffentlich-rechtlichen Gewissen“ das Kapitel dieses Kulturprogramms schließen. Zumal in Bremen das NDR 3-Programm zu hören ist, mit guten Antennen und im Kabel. Da, so hofft Vinke, könnte ein guter Teil der Bremer Klassik-Vernstaltungen untergebracht werden – Aufzeichnungen bremischer Konzerte. Beim „Musikfest“ konkurriert der NDR derzeit schon mit Radio Bremen, so groß sei das Hamburger Interesse an dem Bremer Musikleben. „musica antiqua“, „pro musica nova“ – diese von Radio Bremen finanzierten Festivals könnten mit ins Verhandlungspaket mit dem NDR 3 genommen werden. Für das bremische Personal, das von der Vorstellung, nur noch „Kaffeehausmusik“ ansagen zu dürfen, sicherlich motiviert ist, wären da neue Entfaltungsmöglichkeiten. Vinke könnte sich da auch eine „Marketing-Partnerschaft“ vorstellen. „Bis nach Polen“ wäre das Bremer Konzert-Programm zu hören, schwärmt auch der E-Musik-Chef Bernbacher, „das ist eine gewaltige Sache“. Aber bisher gibt es vom NDR nur vorsichtig formuliertes Interesse, keine Verhandlung hat stattgefunden – die Taube sitzt noch auf dem Dach.

Irgendwie soll die neuerliche Reform auch Geld einsparen helfen. Wie, ist derzeit noch nicht klar. An den Konzert-Mitschnitten von Radio Bremen soll nicht gespart werden. Vinke würde diesen Etat sogar gern noch ausweiten. Das Bremer Philharmonische Staatsorchester wird seit Jahren von Radio Bremen ignoriert und übergangen – „das sollte sich ändern“, verspricht Vinke.

„Insgesamt wird das öffentlich-rechtliche Profil von Radio Bremen nicht beschädigt, sondern geschärft“, verspricht Programmchef Vinke. Viele Mitarbeiter in den betroffenen Kulturprogrammen – Radio Bremen 2 und 3 – glauben es bisher noch nicht und haben deshalb ihren Widerstand angekündigt – aus Sorge um disziplinarische Maßnahmen aber vorerst nur hinter vorgehaltener Hand und intern. K.W.

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