Mit dem Bagger ins Minenfeld

■ Sonderbetreuung für die Bomben in Uni-Ost / 2 x 200.000 Mark für Kampfmittelbeseitigung

Hat die Bremer Bauverwaltung Bauarbeiter in den möglichen Tod geschickt? Oder hat sie einen Riesenschmu mit Geldern für die Bombenentschärfung versucht? Oder weiß in Bremen die rechte nicht, was die linke tut? Viele Fragen bleiben nach einer Geschichte, die sich in den letzten Monaten rund um den Baubeginn auf dem Uni-Ost-Gelände abgespielt hat. Sicher scheint dabei nur eines: Die Geschichte ist oberfaul.

Am letzten Donnerstag war es, als der Vergabeausschuß der Baudeputation über eine Vorlage des Amtes für Straßen und Brückenbau (ASB) entscheiden sollte: Ehe auf dem Uni-Ost-Gelände für Siemens gebuddelt werden könne, müsse sichergestellt sein, daß dort keine Blindgänger mehr liegen. Ein normaler Vorgang. Nicht normal wurde die Diskussion, als sich die Deputierten erinnerten, diese Frage schonmal gehört zu haben.

Tatsächlich: Bereits vor gut zwei Jahren hatte die Bombensuche bei Uni-Ost auf der Tagesordnung gestanden. „Damals war das genauso dringend wie heute“, erinnert sich Horst Bullermann vom ASB. Der Auftrag ging raus, und zwar aus dem Wirtschaftsressort, im Auftrag des Polizeipräsidiums. Wer mißtraute damals schon dem Bremer Volkshelden Warrelmann? Also wurde auch das Geld bezahlt, knapp 200.000 Mark.

Aber mit der Auszahlung verliert sich in der Verwaltung die Spur dieses Vorgangs. Als nun bei den Vorbereitungen der Uni-Ost-Bebauung das ASB wissen wollte, ob denn die „Kampfmittel-Beseitigungs-GmbH“ tatsächlich nach Blindgängern gesucht hatte, trafen die Beamten bei allen beteiligten Stellen nur auf Schulterzucken. Üblicherweise wird nach der Räumung ein Protokoll geschrieben, doch das war nirgends aufzutreiben. Weder bei der Polizei, noch bei der Staatsanwaltschaft. Die hatte sich mittlerweile der Kampfmittelräumer angenommen, als durchgesickert war, daß Warrelmann Bombengeschäfte mit den privaten Entschärfern gemacht hatte.

Kein Protokoll, also kann da auch nichts gewesen sein, dachte sich das ASB, und so kam es zur Sitzung im Bauressort. Den Deputierten blieb nichts anderes übrig, als der Verwaltung zu vertrauen, zähneknirschend zuzustimmen. Schließlich drängelt Siemens, Verzögerungen sind ziemlich unpopulär, gerade in Wahlkampfzeiten.

Da hätten sie besser nochmal nachgefragt; zum Beispiel bei denen, die Uni-Ost besser kennen, als ihre eigene Westentasche. Und das sind die Aktivisten um Gerold Janssen. Die geben der Geschichte zwei unerwartete Wendungen. Die erste: Protokoll hin oder her – „Die waren da, und die haben gesucht“, schwört Gerold Janssen. Sogar mehrere Wochen lang hätten sich die Kampfmittelräumer auf dem Gelände getummelt, Löcher gegraben, „und auch mal ein bißchen Munition mit einem Piff gesprengt“, erzählt das grüne Horner Beiratsmitglied Dieter Mazur.

Haben sie oder haben sie nicht, oder haben sie nur zum Schein – wie so oft, wie sich ein paar Monate später bei der Warrelmann-Affäre im April '94 herausstellte? Mit den Aussagen von Janssen und Co. wird die Geschichte zur Farce.

Zum Skandal wird sie durch eine Äußerung des ASB-Chefs Bullermann: Im Dezember letzten Jahres habe die Polizei das ASB darauf hingewiesen, daß das Gelände nicht bombensicher sei. „Da mußten wir handeln“, und da habe er den erneuten Auftrag geschrieben. Nur: Am 23. Januar schickte dasselbe ASB gleich mehrere schwere Bagger in das vermeintliche Minenfeld, um dort schonmal zu roden, was es zu roden gab. Eine ganze Woche durften die Maschinen über die Blindgänger fahren, oder auch nicht.

Sieht so aus, als müßte der Vergabeausschuß der Baudeputation nochmal tagen. Mindestens der. Jochen Grabler