: Volare, oh oh oh oh!
■ „Der Sommer von Bobby Charlton“ von Massimo Guglielmi (Panorama)
Neunzehnhundertsechsundsechzig. Ein Ehepaar trennt sich. Der Vater entführt die beiden kleinen Söhne aus Norditalien zu seinen Eltern in den Süden. Im Off streiten die beiden inzwischen erwachsenen Brüder, wer dem Vater, dem „Arschloch“, inzwischen ähnlicher geworden ist. Zeitungsausschnitte erzählen vom sommerlichen Massenexodus der Deutschen in den Süden, von Autounfällen mit tödlichem Ausgang, von den Beatles, vom Vietnamkrieg. Lange Autofahrten, unterlegt mit beruhigendem Klaviergeklimper und Eisdielenschnulzen, gefilmt mit wackelnder Handkamera in Breitwandformat.
Die Beziehung zwischen dem Vater und den Söhnen: Windelnwechseln, Badespielzeug kaufen, Gutenachtgeschichten vorlesen, „Papa, warum hast du uns nie Eiscreme gekauft?“ Die Beziehung zwischen den Eltern in Rückblenden: Die guten Erinnerungen sind stumme, als Super-8-Urlaubsfetzen getarnte Wackelbilder, Mutter mit Kindern auf der grünen Wiese, die einzigen Farbbilder des Films. Die Streitereien: endlose, scheinbar grundlose Anschuldigungen der Frau mit subjektiver Kamera in Schwarzweiß. Sehr schön gefilmt, sehr rhythmisch, sehr platt, sehr leer. Und das trotz der unübersehbaren Autobiographie von Massimo Guglielmi, der die beiden Kinder mit seinen eigenen Söhnen besetzt hat.
Was bleibt: die Zeit grauer Strickjacken und Kinderkniestrümpfe. Die Zeit des VW-Käfers, mit dem auch italienische Väter in den Süden fuhren. Wir lernen: Damals gab es in ganz Italien erst sechs Millionen Autos, aber alle glaubten bereits an den nahenden Zusammenbruch des Autoverkehrs. Und im TV lief „Bonanza“. Und die Deutschen verloren in Wembley gegen England.
Aber immerhin: Um Mitternacht, auf meinem Weg von der U- Bahn nach Hause, ertappte ich mich dabei, wie ich italienische Schlager summte: „Quando, quando...“ to
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