Kein Milliardenloch im Landeshaushalt?

■ Ein Bericht des "Spiegels" über angebliche Finanzierungslücken in Milliardenhöhe läßt den Senat rotieren

Im Kampf um die schönste Berlin-Nachricht hat der Spiegel wieder einmal mit einem Berlin-Aufmacher die Konkurrenz von Focus abgehängt. Und nebenbei den Senat am Wochenende zu einer wahren Flut von Stellungnahmen genötigt. Nach Angaben der Hamburger Blattmacher wird der Hauptstadt-Ausbau voraussichtlich weitaus mehr Kosten als bisher bekannt verursachen. Die Berliner Landeskasse werde mit ungedeckten Defiziten in Milliardenhöhe bedroht.

Die Kosten aller bereits beschlossenen über 100 Bauprojekte erreichten zusammengenommen „Größenordnungen, die den Rahmen der Finanzplanung Berlins sprengen“, zitiert das Blatt aus einer internen Beratungsunterlage für Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU). Die Stadt könne wegen der überzogenen Baupläne ihren übrigen Verpflichtungen, etwa zum Erhalt von Krankenhäusern und Universitäten, womöglich nicht nachkommen.

Flugs beeilte sich gestern der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, der zu einem Geheimtreffen mit seinem brandenburgischen Kollegen Stolpe über die Länderehe zusammengekommen war, den Bericht zurückzuweisen. Er sei völlig „unsinnig und unseriös“. Der Spiegel habe „immer versucht, gegen die Hauptstadt Berlin zu argumentieren“, stänkerte Diepgen. Allerdings gebe es wirklich Einsparpotentiale – bei der Nutzung leerstehender Gebäude durch Bundesbehörden.

Der Ausbau Berlins sei finanziell abgesichert und der Zeitrahmen für die einzelnen Projekte werde entsprechend ihrer Dringlichkeit bestimmt, betonte schon am Samstag Finanzsenator Elmar Pieroth. Der Bericht sei bewußt hochgekocht worden, meinte der CDU-Politiker.

Dramatische finanzielle Engpässe erwarten nach Angaben des Nachrichtenmagazins auch die Autoren einer bislang unveröffentlichten Studie der Beratungsfirma Prognos, die Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) in Auftrag gegeben hatte. Die Gutachter errechneten, daß allein die Großprojekte zur Errichtung der Wasserstadt Oberhavel, des neuen Geschäftsviertels am Spreeknie in Köpenick sowie der Wissenschaftsstadt Adlershof „eine Deckungslücke von 500 Millionen Mark“ verursacht haben. Kleiner Schönheitsfehler: Der vom Nachrichtenmagazin zitierte Passus über das Prognos-Gutachten ist in Berlin schon seit Anfang des Jahres bekannt. Schon damals wurde in der Presse darüber ausgiebig berichtet.

Stadtentwicklungsstaatssekretär Wolfgang Branoner sah sich trotzdem genötigt, in den allgemeinen Dementi-Chor einzustimmen. Die Darstellung, der Hauptstadtausbau überfordere Berlin, sei „falsch“. Bei der Vorbereitung und Finanzierung von Projekten der Stadterneuerung würden öffentliche Hand und private Investoren eng zusammenarbeiten. Außerdem seien mit Infrastruktur- und Umweltschutzmaßnahmen volks- und betriebswirtschaftliche Vorteile verbunden. sev