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Brandsätze gegen Gedenkstätten-Mitarbeiter

■ Anschläge gegen Ex-Vorstandsmitglieder der Gedenkbibliothek / Konflikt um frühere KZ-Wächterin

Die beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“, Siegmar Faust und Ursula Popiolek, fühlen sich bedroht. Nachdem in der Nacht vom 20. zum 21. Januar der Briefkasten von Faust entzündet worden war, ist am Freitag der Wagen des Ehemanns der Bibliotheksleiterin Ursula Popiolek in Brand gesetzt worden.

Die taz hatte im Dezember letzten Jahres aufgedeckt, daß sich Ursula Popiolek und der frühere Vizepräsident des „Dokumentationszentrums für die Aufklärung von SED-Verbrechen“ dafür eingesetzt hatten, daß die ehemalige KZ-Aufseherin Margot Pietzner als Opfer des Stalinismus eine Entschädigung von der Bundesregierung erhält. Nachdem die frühere SS-Aufseherin mit 64.350 Mark entschädigt worden war, hatte Faust von ihr 7.000 Mark und die Familie von Popiolek 15.000 Mark erhalten (s. hierzu auch taz vom 1. und 10. 12. 1994).

Daraufhin hatten sich die früheren DDR-Bürgerrechtler Bärbel Bohley, Jürgen Fuchs und Katja Havemann aus der Arbeit in der Gedenkbibliothek zurückgezogen. Bohley und Fuchs hatten zudem angekündigt, sich dafür einzusetzen, daß dem Förderverein künftig keine öffentlichen Gelder mehr bewilligt werden.

Wie Wolfgang Templin, seit Oktober 1994 Vorstandsmitglied und seit Januar dieses Jahres Vorsitzender der Gedenkbibliothek, gestern gegenüber der taz erklärte, schließe die Polizei einen technischen Defekt am Wagen von Peter Popiolek als Brandursache aus. Die Beamten seien vielmehr von einer politisch motivierten Tat überzeugt. Der oder die Täter seien offenbar „professionell“ vorgegangen. Templin will bei der vorliegenden „Konfliktlage“ weder „Stasi-Kader noch militante Teile des Antifa-Spektrums oder Rechte“ als Täter ausschließen. Sowohl Faust als auch Popiolek haben Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

Bei der Berliner Morgenpost ging bereits vergangene Woche ein Bekennerschreiben ohne Absender ein. Unter einem kopierten Artikel des Münchener Nachrichtenmagazins Focus, das über die Entschädigung der KZ-Aufseherin berichtet hatte, heißt es: „Wir haben in einer antifaschistischen Aktion einen Brandsatz unter das Auto von Frau Popiolek gelegt.“

Der Vorstand der Gedenkbibliothek verurteilte „die Terrorakte auf das schärfste“. Eine „stillschweigende Duldung“ der Anschläge wird auch in einem Aufruf abgelehnt, der am Wochenende von der Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe initiiert wurde. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Bürgerrechtlerin Freya Klier, der Politikwissenschaftler Hajo Funke, die frühere grüne Bildungssenatorin Sybille Volkholz, Gerd Poppe von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD-Politiker Tilman Fichter, das ehemalige Mitglied der „Notgemeinschaft für eine Freie Universität“, Hans Eberhard Zahn, und der Autor Jürgen Fuchs.

Die Unterzeichner, unter denen viele eine kritische Position zum Verhalten von Popiolek und Faust einnehmen, werten die Duldung von derartigen „Terrorakten“ als einen Beitrag zur „Gewaltakzeptanz als Mittel politischer Auseinandersetzung“. Sie fordern die unverzügliche Aufklärung und appellieren an die demokratische Öffentlichkeit, Gewaltakten, aus welchem politischen Lager auch immer, entgegenzutreten. Die Auseinandersetzung mit Faust und Popiolek sei „keine Rechtfertigung für diese und ähnliche Angriffe auf die persönliche Unversehrtheit“, so Templin.

Im Informationsdienst des Vertriebenenbundes Deutscher Ostdienst vom 10. Februar beschwert sich Faust über die „von der taz und anschließend anderen linken bis linksextremistischen Zeitungen entfachte beispiellose Hetzkampagne“. Daß er der ehemaligen SS- Aufseherin zu einer Haftentschädigung verholfen habe, stimme „nachweisbar nicht“. Barbara Bollwahn

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