: Unterm Strich
Und hier ein erstaunlicher O-Ton aus der Berliner Geistesprovinz, gefunden in der Programmzeitschrift „zitty“: „Massenmörder üben eine besondere Faszination aus. Verbrämen sie ihre Taten mit einem linken Weltverbesserungsanspruch, so beruht diese weniger auf dem Reiz des Bösen als auf dem angeblich tragischen Scheitern des Edelmütigen. Ein besonderer Glorienschein umgibt daher Ulrike Meinhof, die letztes Jahr 60 geworden wäre.“ Wir möchten den Autor dieses Beitrages, Jan Gympel, schon jetzt und hiermit für den Rainer-Zitelmann-Preis des Hauses Ullstein vorschlagen, der in diesem Jahr erstmals für hervorragende Leistungen in Geopolitik und Geschichtsrelativismus vergeben wird.
Vier im Zweiten Weltkrieg verlorengegangene Notizbücher des amerikanischen Dichters Walt Whitman sind wieder aufgetaucht. Wie das Auktionshaus Sotheby's am Freitag in New York mitteilte, befanden sich die Bücher in einer Privatsammlung eines Kunden, der das Auktionshaus um eine Schätzung der Hinterlassenschaft seines Vaters gebeten hatte. Die Bücher erhellen Whitmans literarische Entwicklung. Sie werden wieder der amerikanischen Kongreß-Bibliothek überstellt. Von dort waren sie während des Krieges aus Sicherheitsgründen entfernt worden.
Die Jury der Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten hat den Film „Paul Bowles – Halbmond“ mit dem Spielfilmpreis der Deutschen Filmkritik 1995 ausgezeichnet. Der in Marokko spielende Film von Alberti und Frieder Schlaich habe „überzeugende Darsteller, opulente Bilder und eine aufregende Geschichte“. Lobend erwähnen die Filmkritiker „Die Mediocren“ von Matthias Glasner. Der Film setze sich mit schöpferischer Intelligenz und handwerklichem Können ohne Millionenaufwand „mit der Gesellschaft auseinander“. Ach, werden wir dem Deutschunterricht der Siebziger denn nie entkommen!
Mächtig voran schreitet die Rehabilitation von Oscar Wilde. Kürzlich ist, zum hundertjährigen Jubiläum der Premiere von „The Importance of Being Earnest“, an jenem Teil der Westminster Abbey, der als Dichterwinkel dient, eine Plakette angebracht worden: Oscar Fingal O'Flaherty Wills Wilde, so der vollständige Name, steht nun neben Shakespeare, Chaucer, Milton und den anderen Jungs. Am sechsten Februar war auch in seiner Heimatstadt Dublin eine Plakette angebracht worden. Es wird langsam Zeit für die symbolische Wiedergutmachung: Es war ebenfalls vor hundert Jahren, als Wilde den Prozeß gegen Lord Queensberry, den Vater seines Liebhabers, Lord Alfred Douglas, verlor und zu zwei Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt wurde. Unterdessen sitzen Kenneth Branagh und Stephen Fry an einer filmischen Biographie Wildes, Hanif Kureishi und Roger Michell an einer Neuverfilmung des „Dorian Gray“.
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