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Rußland schützt Polen vor Tschetschenien

Beim Staatsbesuch in Polen verteidigt Tschernomyrdin den Krieg in Grosny: Osteuropa sei von der dortigen Mafia bedroht worden / Abkommen über Gaspipeline geschlossen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die Gaspipeline, die die Gasvorkommen der russischen Halbinsel Jamal mit Westeuropa verbinden soll, ist unter Dach und Fach. Bei seinem zweitägigen Staatsbesuch in Polen unterzeichnete der russische Premierminister Viktor Tschernomyrdin am Samstag ein entsprechendes Abkommen. Polen gelang es, darin zu verankern, daß das gelieferte Gas innerhalb Polens nur von polnischen Firmen weitergeleitet und verkauft wird. Der Vertrag über die Pipeline gilt als das wichtigste Ergebnis des Besuches.

Nicht einigen konnte man sich dagegen über die Regelung des Zugangs polnischer Fischkutter zum Ochotskischen Meer zwischen Japan und Kamtschatka. Rußland sieht die dortigen fischreichen Gewässer als seine Fischfangzone an, obwohl es sich dabei um internationales Gebiet handelt. Polnische Kutter klagen, man hindere sie durch ständige Militärmanöver systematisch am Fang.

Erwartungsgemäß keine Übereinstimmung gab es auch in der Frage eines Nato-Beitritts Polens. Tschernomyrdin erklärte im Gespräch mit Präsident Lech Walesa, er unterstütze einen Beitritt Polens zum Nordatlantikpakt, aber er verstehe „diese Eile nicht“. Walesa erwiderte, der polnische Standpunkt sei bekannt: „Wir wollen in die Nato und werden Rußland nicht um Erlaubnis fragen.“

Tschernomyrdin, der in Moskau als Kritiker der Intervention in Tschetschenien gilt, wurde in Warschau auch mit Demonstrationen vor dem Ministerratsgebäude konfrontiert. Während er drinnen mit Polens noch amtierendem Premier Waldemar Pawlak sprach, demonstrierten draußen polnische Rechtsparteien gegen den Krieg. Vor polnischen Geschäftsleuten verteidigte Tschernomyrdin die Intervention: Die tschetschenische Mafia sei eine Gefahr für Osteuropa gewesen. Zeitungsberichten zufolge hat Moskau die Schließung des „tschetschenischen Zentrums“ in Krakau gefordert, da dieses ein Herd antirussischer Propaganda sei.

Obwohl also nicht in allen Fragen Übereinstimmung erzielt werden konnte, gilt der Besuch des Premier als Erfolg. Tschernomyrdin wurde in Polen seit Mai 1994 erwartet – zuletzt hatte er seinen Besuch im Herbst abgesagt, nachdem ein Zwischenfall zwischen russischen Reisenden, die von polnischen Polizisten verprügelt worden waren, zu einer Krise der Beziehungen geführt hatten. Bis Anfang der Woche war wegen der unklaren innenpolitischen Lage in Polen zweifelhaft, ob es diesmal zu dem Besuch kommen würde. Gegen Polens Premier Pawlak wurde inzwischen ein Mißtrauensvotum im Parlament eingebracht, seine Abwahl gilt als sicher.

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