: Bonn für Jäger, Brüssel für Fücks
■ EU-Kommission: Vogelschutz rückholbar / Bonn verzögert Ummeldung
Die Rücknahme des umstrittenen Vogelschutzgebietes in der Hemelinger Marsch laut EU-Vogelschutzrichtlinie ist problemlos möglich – wenn man nur die wirklich zuständigen Instanzen fragt. Denn diese für die „Piepmatzaffäre“ entscheidene Frage ist im Bermuda-Dreieck zwischen Bremen, Bonn und Brüssel umstritten. Zwar vertritt die Rechtsabteilung des Umweltsenators die Auffassung, eine Rücknahme sei ohne weiteres möglich. Doch Wirtschaftssenator Claus Jäger meint genau das Gegenteil und bekommt dafür Unterstützung aus Bonn: Der Staatsekretär im Bundesumweltministerium, Erhard Jauck, hat auf Befragen von Jäger die Rückholung als unmöglich bewertet. Die EU-Kommission wiederum gibt Bremen recht – doch sie ist noch nicht offiziell befaßt worden: Der Brief mit der Anfrage aus Bremen liegt seit zwei Wochen im Bonner Umweltministerium.
Mit Schreiben vom 20. Februar ließ Wirtschaftssenator Jäger das Schreiben von Jauck an die „Kolleginnen und Kollegen im Senat“ verteilen. Der zweite Mann im Bonner Umweltministerium urteilte eindeutig: „Die Richtlinie selbst sieht eine Rücknahmemöglichkeit nicht vor. Für der Kommission gemeldete Schutzgebiete besteht grundsätzlich keine Rücknahmemöglichkeit.“
„Das ist Käse,“ heißt es eine Stufe höher auf der Instanzenleiter, bei der zuständigen Generaldirektion Umweltschutz der EU-Kommission in Brüssel. Natürlich sei eine solche Rückname möglich. Es stehe zwar nichts davon in der Richtlinie, aber das besage gar nichts. Bei einer Ummeldung werde die Kommission „ganz genau hinsehen“, aber sie sei durchaus möglich. „Wenn es ein manifester Irrtum ist, daß zum Beispiel ein Gebiet ohne Vögel angemeldet wurde – kein Problem. Wenn es voreilig war, etwa ein Acker mit nur ein paar Krähen – kein Problem. Wenn allerdings die Vögel dort vorkommen und dann umgemeldet werden soll, dann geht das nicht.“ Gerade das aber ist in der umstrittenen Hemelinger Marsch laut Umweltressort und BUND nicht der Fall: Das Gebiet war nur als Pufferzone zwischen Vogelschutzgebiet am Außendeich und Gewerbegebiet gedacht und beherberge keineswegs gefährdete Vogelarten.
Deshalb will man in Brüssel den Verweis des Bundesumweltministeriums auf das „Leybucht-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes auch nicht stehen lassen. „Der Fall liegt anders, weil dort ein wirklich wichtiges Vogelschutzgebiet verkleinert werden sollte.“
Offiziell gefragt hat die Eurokraten jedoch noch niemand. Denn Brüssel akzeptiert als Verhandlungspartner nur die Mitgliedsstaaten und nicht die einzelnen Bundesländer. Umweltsenator Fücks hat gleich nach der Senatsentscheidung zur Rückholung der Anmeldung einen Brief an die Bundesumweltministerin Angela Merkel geschrieben, in dem er eben diesen Beschluß übermittelt und um eine „unverzügliche“ Weiterleitung an die zuständige EU-Kommission gebeten hat. Doch weder erreichte dieser Brief bisher die EU-Kommission noch gab es eine Antwort auf das Schreiben nach Bremen noch hat man es in Bonn bisher für nötig gehalten, einen Termin mit den Bremer Vertretern zu vereinbaren. Dafür schrieb der Bonner Umwelt-Staatssekretär gleich zwei Briefe an Fücks' Ampel-Kontrahent Jäger und bescheinigte ihm die Endgültigkeit der Anmeldung. Dieses Verhalten des CDU-geführten Bonner Umweltministeriums ist denn nach Worten von Bremens Umwelt-Staatsrat Manfred Morgenstern ein „etwas ungewöhnlicher Vorgang“: „Der Umweltschutz ist schließlich Ländersache. Bonn sollte den Brief nur weiterreichen. Es hat in dieser Sache eigentlich nur die Funktion eines Briefkastens.“
Das sieht das Umweltministerium ganz anders. „Wir sind der Auffassung, daß diese Rückholung nicht möglich ist“, sagt Sibylle Quenett von der Pressestele. „Frau Merkel war sehr ungehalten, als der Brief aus Bremen kam. Wir haben große Vorbehalte gegen eine solche Änderung.“ Demnächst werde es aber Gespräche mit den Bremer Vertretern über diese Frage geben. Warum der Brief nicht unverzüglich nach Brüssel weitergeleitet wurde und ob Bonn überhaupt die Kompetenzen für eine solche rechtliche Prüfung hat, war aus dem Ministerium allerdings nicht zu erfahren. bpo
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