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Bahnchef vor der Schranke

Heinz Dürr verbreitet bei der ersten Bilanz-Pressekonferenz der reformierten Bahn Optimismus und gibt seinen Abgang Ende 1997 bekannt  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Der Mann mit dem schwäbischen Akzent schweigt. Mehrere Sekunden vergehen. „Wir haben es so beschlossen. Und jetzt machen wir es auch so“, sagt er schließlich trotzig. Schon Ende 1997 soll Bahnchef Heinz Dürr in den Aufsichtsrat des Unternehmens weggelobt werden – eigentlich war sein Abgang erst drei Jahre später vorgesehen. Zwar begründet er den Wechsel mit einem „biologischen Hintergrund“ – er ist 61 Jahre alt. Aber seine ständigen Passivformulierungen machen deutlich, daß der Stuhlwechsel keineswegs von ihm, sondern von Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann initiiert wurde.

Dabei hatte Heinz Dürr die erste Bilanz-Pressekonferenz der reformierten Bahn als Jubelveranstaltung gedacht. Auf einer großen Leinwand steigt ein Feuerball über einem ICE auf, Züge rasen in Tunnel hinein und wieder hinaus, Heinz Dürr setzt lächelnd seine Unterschrift unter Verträge und besiegelt ihren Abschluß mit wiederholtem Händeschütteln. Dazu erklingt verpoppte Klassik. Nur das Schlußbild führt zurück in die graue Realität: Fahnen vor dem Plattenbau, wo in Berlin heute die Bahnzentrale residiert und früher die Stasi untergebracht war. 88 Millionen Mark stehen unter dem Schlußstrich der Bilanz 1994 – ein Ergebnis, das nur durch einen massiven Wertverlust der Anlagen in der Eröffnungsbilanz möglich wurde (siehe taz vom 5. 1. 95). „Wir hatten 50 Millionen anvisiert“, sagt Dürr. Das sei zwar bei einem Umsatz von 23,8 Milliarden Mark alles noch vergleichsweise bescheiden. Aber der Bahnchef ist optimistisch, daß er Ende 1995 bereits 130 Millionen Mark Gewinn nach Steuern vermelden kann.

„Alle Bereiche haben ihre Verkehrsleistungen gesteigert“, betont Dürr. Im Nahverkehrsbereich kauften die Leute nach Bahnangaben 10,4 Prozent mehr Fahrkarten, und im Fernverkehr steigerte sich die Zahl der Personenkilometer um 2,3 Prozent. Auch beim Güterverkehr verzeichneten die Zugbetreiber insbesondere bei Massengütern ein deutliches Plus von 9,4 Prozent Tonnenkilometern. „Wir haben den turn-around geschafft“, behauptet Dürr.

Das aber bezweifeln viele. Denn die Preise für Gütertransporte sind im letzten Jahr noch einmal kräftig gesunken, so daß der Umsatz im Ladungsverkehr um ein halbes Prozent und beim Stückguttransport sogar um 8,7 Prozent wegbrach. Auch beim Personenverkehr liegt die Steigerung der Transportleistung deutlich über den Einnahmenzuwächsen – heißt: Die Bahn tut mehr und verdient für die einzelne Leistung weniger. Dennoch versichert Dürr, daß sich der Kostendeckungsgrad leicht verbessert hat: die Bahn fahre mit weniger Personal und komme, dank besserer Auslastung einzelner Waggons, mit weniger Zugkilometern hin. Zumindest beim Güterverkehr aber wird sich der Preisdruck in diesem Jahr aufgrund der verbilligten Kfz-Steuer für LKW wohl noch einmal steigern.

Hinzu kommt, daß die Bahn in den Vorjahren immer weniger transportiert hat; mit der jetzigen Steigerung liegt sie noch immer fast neun Prozent unter ihrer Leistung von 1991 und deutlich unter dem, was die Deutsche Reichsbahn zu DDR-Zeiten durch die Lande fuhr. Ein Gegenrechnen von Bahn- und Straßenverkehr aber lehnt Dürr ab: „Da vergleicht man Äpfel mit Birnen. wir können ja nicht in jeden Hinterhof fahren.“

13,5 Milliarden Mark hat die Bahn im letzten Jahr investiert. Der größte Batzen, 9,3 Milliarden, ging für Schienen, Schranken und Signale drauf. Die Bilanz wird damit allerdings überwiegend erst ab 1996 belastet, wenn die bestellten Leistungen tatsächlich eintreffen.

Auch gestern ritt Heinz Dürr noch einmal sein Steckenpferd ICE. Mit 1,3 Milliarden Mark trug er zum Umsatz bei – 300 Millionen mehr als im Vorjahr. „Dieser Steigerung von dreißig Prozent steht ein Rückgang beim Intercity um sechs Prozent entgegen“, so Dürr. Inwieweit der energieintensive ICE sich rechnet, läßt sich daraus noch nicht ablesen. „Planzahlen für einzelne Züge nennen wir nicht“, beschied Dürr.

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