: Tun Sie manchmal Dinge?
■ „Farcetten con Sequenzen“ von und mit Annette Kruhl
Das Cabaret und die Frauen? So manchen fällt dazu auf Anhieb nur Liza Minelli ein. Neben Rogler und anderen Nachschlägern gab's da noch diese, ja, wie hieß sie noch gleich ... diese Marion Krollmann. Aber sonst? Selbst dem Leiter der altgedienten Kabarettadresse Mehringhof-Theater, Christian Lutschtinetz, entfleuchte kürzlich nur der Satz: „Ehrlich gesagt, kenne ich im Augenblick keine Kabarettistin.“
Dem guten Manne sei empfohlen, sich heute oder morgen am Abend zur neuen Kreuzberger Spielstätte, dem „Wasserturm“, zu begeben. Denn dort spielt Annette Kruhl auf: „Farcetten con Sequenzen“ nennt sich ihr erstes Soloprogramm, zusammengesetzt aus Farcen und Facetten, Poetik und Schnoddereien, Chansons und Kabarett der tucholskyschen Art.
Da kommt auch Kurt Tucholsky selbst zweimal zu Ehren. Und das Programm wird poetisch-melancholisch, wenn sich am frühen Morgen im Menschentrichter Großstadt Millionen Gesichter begegnen: „Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, / die Braue, Pupillen, die Lider – / Was war das? Vielleicht dein Lebensglück ... / Vorbei, verweht, nie wieder.“
Nicht die große Politik, nicht die weite Welt sind Kruhls Themen, sondern die Macken, die kleinen Schwächen, die menschlichen Unzulänglichkeiten. „Kennen Sie das auch, daß Sie manchmal Dinge tun, die Sie gar nicht tun wollen?“ fragt sie und widmet sich mit wahrer Akribie den konsequenten Inkonsequenzen des Lebens – des weiblichen Lebens, um genau zu sein.
Eben noch schimpfte sie empört schäumend auf all die Männer – Schweine allesamt, insbesondere der eine, dieser Hund, der sie so unsäglich betrogen hat. Kurz darauf die wild-verzweifelte Suche nach den Zutaten fürs Abendessen, dem richtigen Outfit, der günstigsten Beleuchtung; Kerzenschein ist angesagt, denn am Abend kommt er, eben dieser eine – und ihr Herz macht einen Sprung.
Liebesfrust und Liebeslust, Geschlechterk(r)ampf und die Lebenslügen der 50jährigen Frau Stadler, Annette Kruhl schlüpft flugs in neue Rollen, ist mal burlesker Clown, mal seriöse Dame und springt schon wieder ans Klavier, um das nächste Chanson anzustimmen.
En passant zitiert Kruhl eine Feministin mit den Worten: „Wirkliche Emanzipation ist erst erreicht, wenn Frauen sich die gleiche Mittelmäßigkeit leisten können wie Männer.“ Doch von Mittelmäßigkeit kann bei ihr gar keine Rede sein. Schaun Sie sich's an, Herr Lutschtinetz! Karin Flothmann
Heute und morgen, 20.30 Uhr, in der Revue Latent im Wasserturm, Kopischstraße 7, Kreuzberg, 17. bis 19. 3., 21 Uhr, im Scheselong, Wilsnacker Straße 61, Moabit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen