■ Nazi-Jurist beim Roten Kreuz: Funktionärs-Freispruch
Wer bis heute dem Deutschen Roten Kreuz nichts gespendet hat, sollte es auch weiterhin tunlichst seinlassen. Solange zumindest, wie der Berliner Verband einen ehemaligen Nazi-Juristen wie Hartwig Schlegelberger an seiner Spitze toleriert. Rückhaltlos hat sich das DRK-Präsidium hinter seinen Präsidenten gestellt, der in wechselnder Rolle als Ankläger und Marinestabsrichter während der NS- Zeit an mehreren Todesurteilen gegen Wehrmachtsangehörige mitgewirkt hat. Daß dem heute 81jährigen jedes Unrechtsverständnis abgeht – wer sollte es ihm angesichts der Freibriefe verübeln, die ihm bis in die jüngste Zeit von seinen Standeskollegen ausgestellt wurden. Noch 1989 lehnte es die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kiel ab, gegen Schlegelberger zu ermitteln. Ihre Begründung: Die beantragten Todesurteile hätten dem damaligen Rechtzustand entsprochen.
So weit die eine Seite des Skandals. Die andere betrifft die DRK- Funktionäre, die mit ihren Spendenaufrufen alljährlich das Gewissen der gutmeinenden Menschen strapazieren und sich zugleich den Zynismus leisten, einen Nazi-Gerontokraten zu schützen. Nicht dessen Rolle als Militärrichter finden sie „infam“ und „unmenschlich“, sondern die jüngsten Veröffentlichungen in den Medien. Schlegelbergers Rolle als NS-Jurist ist für die Funktionäre hinlänglich geklärt. Im lupenreinen Jargon der (Rechts-)Positivisten verweisen sie auf damalige gesellschaftliche Zwänge, denen ein Mann wie Schlegelberger ja nur gefolgt sei. Eine Methode, die im Rückblick auf deutsche Geschichte seit kurzem wieder gerne angewandt wird und moralische Kategorien, die in der Beurteilung solcher Männer wie Schlegelberger unabdingbar sind, mit einem Achselzucken beiseite schiebt. Nach dem Motto: „Ich weiß ja nicht, wie ich gehandelt hätte“. Wer so argumentiert, redet der kollektiven Verantwortungslosigkeit das Wort. Eben so, wie es das DRK-Präsidium in diesen Tagen vorexerziert hat. Severin Weiland
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