: Helmut Kohl kann sich nicht klonen
Wo und mit wem wird der Bundeskanzler zwischen dem 6. und dem 8. Mai auftreten? Berlin, London, Moskau, Paris – seine Freunde wohnen überall. Ein Taschenkalender voller Gedenktermine ■ vorgestellt von Anita Kugler
Berlin (taz) – Europa kreißt, Deutschland besonders schmerzhaft. Der Geburtstermin steht fest. Es ist der 8. Mai, 11 Uhr am Vormittag. Im Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt wird ein Staatsakt zum Gedenken an den Zusammenbruch, die Kapitulation, das Ende der Hitler-Diktatur und – seit zehn Jahren absolut comme il faut – die Befreiung zelebriert. Der deutsche Staatsakt.
Die Repräsentanten der Verfassungsorgane werden reden, als da sind: Bundespräsident Roman Herzog, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und wegen der parteilichen Ausgewogenheit und dem Protokoll Bundesratspräsident Johannes Rau. Einziges Problem: Was ist mit dem Kanzler?
Wie das Bundeskanzleramt, Bundesinnenministerium, die Protokollabteilung, die beiden Bundespressestellen in Bonn und Berlin, das Auswärtige Amt und sein diplomatisches Corps sowie das Zentralorgan der deutschen Autonomen Interim andeuteten, wird Helmut Kohl vermutlich in Berlin anwesend sein, aber voraussichtlich keine Rede halten.
Völlig ungeklärt ist lediglich noch die technische Kleinigkeit, wie Kohl seine Präsenz bei einer zeitgleich stattfindenden Feier in Paris sichern wird. „Wir sind hart am Ball“, versprechen gut informierte Kreise. Zu dieser international ausgerichteten Feier, die im „Geiste des friedlichen Zusammenwirkens der europäischen Staaten“ abgehalten wird, hat Francois Mitterrand 70 Staats- und Regierungschefs eingeladen, von denen 60 schon zugesagt haben. Darunter auch Helmut Kohl, der besonders gerne kommt, nachdem im letzten Jahr auf seine Anwesenheit bei den Gedenkfeierlichkeiten anläßlich der Landung der Alliierten in der Normandie verzichtet wurde. Gerüchte, wonach der Kanzler geklont werden soll, haben maßgebliche Kreise als „böswillig“ abgetan. Keine protokollarischen Schwierigkeiten entstehen hingegen bei dem Rahmenprogramm zum Berliner Staatsakt. Am Abend des 6. Mai wird Kohl zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten, dem britischen Premier und entweder Bill Clinton oder dem US-Vizepräsidenten Al Gore einen Gedenkgottesdienst in London besuchen. Er wird dort ebenfalls an den betont zivil ausgerichteten Feiern am Vormittag des 7. Mai teilnehmen. Dann besteigt er das Flugzeug, um bei der Einweihungsfeier des Centrum Judaicum in Berlin nicht zu fehlen. Im Frühtau des 8. Mai geht es nach Paris und gleichzeitig nach Berlin. Technisch unproblematisch, aber aus innenpolitischen Gründen höchst heikel könnte die Bewältigung des 9. Mai werden.
Saunafreund Boris Jelzin hat den Kanzler nach Moskau eingeladen. „Ich rechne fest damit, diesen Tag in Deiner Gesellschaft zu verbringen“, hatte er an den „lieben Helmut“ geschrieben. Der möchte wegen Tschetschenien ungerne bei einer Militärparade auf dem Roten Platz stehen, andererseits aber nicht seinen reisefreudigen Freund Mitterrand im Moskauer Regen stehen lassen. Die Bonner hoffen nun, daß die Amerikaner sie von dieser Peinlichkeit befreien.
Könnte Bill Clinton sich doch nur entschließen, grünes Licht für einen russisch-amerikanischen Gipfel am Abend des 8. Mai in Moskau zu geben, dürfte es in Deutschland leicht zu verteidigen sein, daß Helmut Kohl am 9. Mai in Moskau auftritt – als Zaungast.
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