: Grüner Punkt in Flammen
Stahlwerke Bremen beginnen mit Verfeuerung von Plastikmüll / Umweltverbände kritisieren Prinzip „Verbrennen statt Vermeiden“ ■ Aus Bremen Bernhard Pötter
Wer in Norddeutschland eifrig Plastikmüll sammelt, tut das für einen guten Zweck: Nicht so sehr für die Umwelt, sondern für die indirekte Subventionierung der „Stahlwerke Bremen“. Denn die ehemalige Bremer Klöckner- Hütte hat als erstes deutsches Stahlwerk nach einjährigem Pilotbetrieb jetzt die auf drei Jahre begrenzte Erlaubnis zur Verfeuerung von Plastikmüll mit dem grünen Punkt der DSD bekommen. Damit werden in den nächsten drei Jahren jährlich 80.000 Tonnen Plastikgranulat mit dem grünen Punkt als Ölersatz in den Hochofen geblasen – eine Menge, die dem Inhalt der gelben Säcke aus ganz Norddeutschland entspricht.
Das Bremer Stahlwerk schlägt mit dem DSD-Deal zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits ersetzt das Plastik-Granulat die gleiche Menge teuren Schweröls für die Befeuerung des Hochofens. Andererseits bekommt die Hütte die Abnahme des Plastikmülls vom DSD und der „Deutschen Gesellschaft für Kunststoffrecycling“ (DKR) bezahlt – pro Tonne mehrere hundert Mark, heißt es. „Ein Schritt zur Kostenreduzierung und zur weiteren Verbesserung unserer Marktchancen“, erklärt das Stahlwerk, dessen Existenz durch eine Lösung vom Duisburger Klöckner-Konzern und eine „Interessentenlösung“ unter Beteiligung des belgischen Stahlkonzerns Sidmar erst im letzten Jahr gesichert wurde.
Nach dem Probebetrieb mit der Verbrennung von 20 Tonnen täglich soll jetzt in einer „großtechnischen Anlage“ ab Sommer 95 die zehnfache Menge in den Hochofen wandern. Die Verträge mit dem DSD garantieren den Bremer Nachschub an Plastikmüll für erst einmal drei Jahre. DSD-Müll ist inzwischen ein begehrter Rohstoff. Von den etwa 500.000 Tonnen jährlich werden nach Angaben der DKR etwa 185.000 „rohstofflich verwertet“; diesen Markt haben sich neben dem Bremer Werk die Energie- und Chemie-Konzerne RWE, VEW und BASF aufgeteilt.
Der Erfolg des Bremer Verfahrens hat viele Väter. Das Umweltbundesamt hat die „Vergasung“ des Plastikmülls nicht als „thermische Verwertung“, sprich Verbrennung, sondern als „rohstoffliche Verwertung“ im Sinne der Verpackungsverordnung anerkannt, weil der Kunststoff als Reduktionsmittel bei der Eisenproduktion angewandt wird. Der Beschluß des Bundeskartellamtes von 1994, die Eigentümerstruktur der DKR mit ihrer Zusammensetzung aus Energieunternehmen und Entsorgern zu knacken, hat dem Bremer Unternehmen erst den Zugang zu dem inzwischen hart umkämpften Markt von Plastikmüll geöffnet. Ein Gutachten des Darmstädter Öko-Instituts fand keine erhöhten Schadstoffbelastungen durch die Plastikverbrennung; die wirtschaftliche Bedeutung der Hütte als einer der größten Arbeitgeber in Bremen, tat ein übriges für die Genehmigung. Umweltverbände kritisieren die Genehmigung durch die Bremer Behörden. Neben der Festlegung auf das Prinzip „Verbrennen statt Vermeiden“, fehlen für Joachim Dullin, Chemiker bei der Bremer „Aktionskonferenz Nordsee“, vor allem wichtige Daten in den bisherigen Messungen. Denn der Plastikmüll bestehe zum Teil aus PVC, dessen Chlorgehalt bei der Verbrennung Dioxin produzieren kann. Dieser Chlorgehalt betrage immerhin 1,5 Prozent. Was also an Schadstoffen für den Betrieb mit 20 Tonnen ermittelt worden sei, müsse bei 200 Tonnen täglich zehnmal so hoch liegen. „Über die Höhe eines solchen möglichen Chlor- und Dioxin- Ausstoßes gibt es ebensowenig Daten wie über den Schwermetallausstoß in der Abluft. Auch fehlt bisher eine Erklärung dafür, warum sich seit der Plastikverbrennung die Werte von organischen Halogenen in der Waschanlage der Abwässer verzehnfacht haben.“
Gerade diese Daten aber sollen bei dem jetzt genehmigten Probelauf über drei Jahre erhoben werden, meint die Umweltbehörde. Die bisher nachgewiesenen Mengen an Dioxin seien „vernachlässigbar“, und auch eine zehnfach erhöhte Menge läge noch unter dem Grenzwert. Wenn bei jährlichen Stichproben die Grenzwerte nicht überschritten werden, so ein Behördensprecher, „steht nach Ablauf der drei Jahre einer Dauergenehmigung nichts im Wege“.
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