■ Bonn apart: Externe Possenreißer
Dem Berliner Abgeordneten Heinrich Lummer (CDU) droht das schlimmste Los, das einen Politiker treffen kann. Der frühere Innensenator soll totgeschwiegen werden. Aus. Ende der politischen Laufbahn. Kein Wort mehr.
Ausgedacht hat sich die schreckliche Strafe die „Rheinlandpartei – Die europäischen Föderalisten“. Das Verbrechen des Heinrich Lummer: Der Mann aus Preußen hat es gewagt, mitten im Karneval die Axt an die Wurzeln rheinischen Frohsinns zu legen. Ausgerechnet an Weiberfastnacht meldet sich Lummer im Westdeutschen Rundfunk: Die durchgefeierten tollen Tage sollen vom Jahresurlaub abgezogen werden. Solche Vorschläge mögen vielleicht Berliner erheitern, die weder mit Fastnacht noch Karneval etwas anfangen können und Menschen mit schwarz-roten Ringelsöckchen und Pappnasen für blöde Clowns halten. In und um Bonn kommen solche Äußerungen nicht gut an. Auch wenn die Bonner vor lauter Funkenmariechen, Prinzenpaaren und Festausschüssen kaum mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht, so wissen sie doch: Spaß ist Spaß. Ernst ist, wo der Spaß aufhört.
Das durch Lummers Attacke gefährdete rheinische Brauchtum fand seinen Verteidiger und Rächer in Gestalt von Martin Nieswandt, dem Pressesprecher der Rheinlandpartei. Gemeinsam mit anderen Splittergruppen („Bürgerallianz“) hatte sie bei der Kommunalwahl in Bonn 2,7 Prozent erreicht.
Nieswandt schickte per Fax an die Presse dem Politiker den humorfreien Ratschlag: „Lummer, halt's Maul!“ Das „dumm- dreiste Geschwätz“ des Abgeordneten aus Berlin sei „nicht mehr hinzunehmen“, empörte sich der Kulturwahrer. „Bei aller rheinischen Gelassenheit und Toleranz, der Mann ist gefährlich. Sein unausgegoren-populistisches Gesülze hat der Berliner Rechtsradikale allzuoft ungestraft verbreiten dürfen. Beiträge externer Possenreißer sind weder gefragt noch erbeten.“
Lummers bekannt dezente Art – da sieht man, was sie anrichtet! Schlimm genug für die Menschen um Bonn, daß der Hauptstadtumzug an die Spree nicht mehr aufzuhalten ist. Fax- Ratschlag: Alle „Journalisten mit einem Rest von Verantwortungsgefühl“ sollen den CDU- Politiker nun zur Strafe „totschweigen“. Zittere, Lummer! Das Rheinland feiert und schweigt über dich und deine Untaten! Hans Monath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen