: Günter Verheugen: „Deutsche müssen helfen“
■ SPD-Bundesgeschäftsführer fordert Umdenken im Streit über Bundeswehr- Einsatz bei UN-Missionen. Regierung produziere „fragwürdiges Dogma“
Bonn (dpa) – Inmitten der Streiterei um den möglichen Bundeswehreinsatz in Bosnien meldet sich der der SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen zu Wort – und fordert ganz generell ein Umdenken beim weltweiten Einsatz von deutschen Soldaten in UN- Blauhelm-Missionen. Im Nachrichtenmagazin Focus bezeichnete er die These der Bundesregierung, Bundeswehrsoldaten dürften nicht dahin, wo die Wehrmacht schon einmal war, als „fragwürdiges Dogma“. „Gerade weil Deutschland in der Vergangenheit dort schuldig geworden ist, müssen die Deutschen helfen, wenn sie um Hilfe gebeten werden“, umreißt Verheugen eine entgegengesetzte Position. Dabei sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine deutsche Beteiligung an friedenserhaltenden Operationen politisch sinnvoll ist oder nicht. Stelle sich dabei heraus, es gebe keine historischen Belastungen mehr, weil alle am Konflikt beteiligten Parteien wollten, daß Deutsche auch in Uniform helfen, dann sei die Regierungsthese „ein gefährlicher deutscher Sonderweg“. Auch Bundeswehreinsätze in Mazedonien dürften unter diesen Voraussetzungen nach Ansicht von Verheugen nicht ausgeschlossen werden.
Währenddessen streiten seine SPD-Kollegen weiterhin heftig über die Unterstützung eines möglichen Abzugs der UN-Soldaten aus Bosnien durch die Bundeswehr. Die stellvertretende SPD- Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul widersprach nachdrücklich den Äußerungen ihres Parteikollegen Karsten Voigt, wonach die Sozialdemokraten prinzipiell mit den Planungen der Bundeswehr für einen Bosnien-Einsatz einverstanden sind. Es gebe kein Ja der SPD zu einem solchen Einsatz, betonte Wieczorek-Zeul in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).
Voigt hatte am Donnerstag erklärt, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr gehe es erstmals darum, Bündnispartnern in einer rechtlich nicht zwingenden, aber politisch gebotenen Weise zu helfen. Da alle Parteien des Bundestages den Blauhelmeinsatz in Bosnien für sinnvoll gehalten hätten, ergebe sich, daß man jetzt auch den Abzug begleiten und mit Truppen unterstützen müsse. Wieczorek-Zeul betonte dagegen, für die SPD gebe es keine Gründe, einem Einsatz in Bosnien zuzustimmen. Derartige militärische Missionen würden den Konflikt nicht beenden, sondern zu einer weiteren Eskalation führen. Die Aussagen von Voigt seien dessen persönliche Meinung. Von dem Vorstoß ihres Bundesgeschäftsführers Verheugen ahnte die „rote Heide“ zu diesem Zeitpunkt wohl noch nichts.
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