: Zwangsverhör beim Generalkonsulat
■ Bündnis 90/Die Grünen kritisieren Praxis bei Abschiebung algerischer Flüchtlinge
Algerische Abschiebehäftlinge, die wegen fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können, werden vom algerischen Generalkonsulat zwangsvernommen. Daß diese in anderen Bundesländern bereits erprobte Praxis nun auch in Berlin angewendet wird, teilte der ausländerpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Ismail Kosan, gestern mit.
Flüchtlinge hätten ihm berichtet, daß sich die Befragung nicht nur auf die Personalien bezieht, so Kosan. Er gehe von einer „ausführlichen Anhörung“ auch zur politischen Haltung der Betroffenen aus, sagte der bündnisgrüne Politiker. Die algerischen Flüchtlinge sollen laut Ismail Kosan oft gegen ihren Willen von der Berliner Polizei zum Verhör in das Generalkonsulat gefahren worden sein, damit die erforderlichen Reisedokumente ausgestellt werden konnten.
Kosan forderte den Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) auf, solche „nicht rechtsstaatlichen Praktiken“ zu unterlassen. Die Abschiebehäftlinge müßten befürchten, bei der Vernehmung ihre Familienmitglieder in der Heimat zu gefährden, so Kosan. Unter den Flüchtlingen befinden sich nach seinen Angaben sowohl Anhänger und führende Mitglieder der Islamischen Heilsfront (FIS), die gegen die Regierung in Algier kämpfen, als auch Demokraten, die vor dem Terror der islamischen Mordkommandos flüchten.
Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Pro Asyl haben wiederholt gefordert, algerische Flüchtlinge nicht in ihre Heimat abzuschieben, da ihnen dort akute Lebensgefahr drohe. Zahlreiche Rückkehrer seien spurlos verschwunden.
Auch Frauke Hoyer, Referentin des Berliner Flüchtlingsrats, sieht in der Abschiebung eine „menschenrechtswidrige Praxis, durch die die Flüchtlinge in absolute Lebensgefahr gebracht werden“.
Neben Algerien weigern sich auch Länder wie Äthiopien, Indien, Pakistan, Rußland und die Ukraine, Abschiebehäftlinge aus Deutschland ohne Reisedokumente wieder aufzunehmen. Kosan forderte Heckelmann auf, algerische Flüchtlinge grundsätzlich aus der Abschiebungshaft zu entlassen. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen will heute einen Antrag für einen generellen Abschiebestopp algerischer Flüchtlinge verabschieden, der Mitte März im Angeordnetenhaus eingebracht werden soll.
Von den rund 170 Ausländern, die derzeit in Berlin in Abschiebungshaft sitzen, sind 16 aus Algerien. Nach dem Gesetz können sie bis zu 18 Monate in Abschiebungshaft genommen werden. schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen