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Über die Vorteile irischer Pässe und Namen

■ Zum Glück für viele Nordiren sprechen englische Computer kein Irisch

„Computer sind Analphabeten, wenn es um die irische Sprache geht“, sagte Rory O'Hare listig, nachdem ihm der britische Soldat den Reisepaß unbeanstandet zurückgereicht hatte. „Das war eine meiner besten Ideen, einen irischen Paß zu beantragen“, meinte O'Hare, dessen Name aus politischen Gründen im Zentralcomputer der Armee gespeichert war – aber eben nur in der englischen Version. Deshalb hatte er mit seinem englischen Paß bei Kontrollen stets Scherereien gehabt. In dem irischen Dokument hieß er „Ruaraí Ó hEithir“. Das wird zwar genauso ausgesprochen wie „Rory O'Hare“, aber das wußte der Computer nicht, und fortan ging alles glatt.

Das war in den achtziger Jahren in Belfast. Wie O'Hare machten es viele im katholischen Westteil der nordirischen Hauptstadt, wo fast jeder Bewohner und jede Bewohnerin elektronisch erfaßt war. Wer in Nordirland geboren ist, hat Anspruch auf doppelte Staatsbürgerschaft – wenn auch nicht auf zwei Pässe, ebensowenig wie auf das Wahlrecht in der Republik Irland. Dazu muß man in einem irischen Wahlkreis einen Wohnsitz haben. Im britischen Regierungsgesetz über Irland von 1920 ist Nordirland als Teil des Vereinigten Königreichs ausgewiesen, während die Republik Irland in den Artikeln 2 und 3 ihrer Verfassung von 1937 die gesamte Insel zum Staatsgebiet erklärt. Selbst wenn diese Verfassungsparagraphen geändert werden sollten, wie es im anglo-irischen Diskussionspapier über Nordirland von vergangener Woche vorgesehen ist, bleibt das Recht auf irische Staatsbürgerschaft für NordirInnen erhalten: Die Regierungen in Dublin und London haben sich auf eine „Geburtsrechtsklausel“ geeinigt.

Neben politischen hat ein irischer Paß auch andere Vorteile. „Ich könnte ein ganzes Zimmer mit Strafmandaten tapezieren“, sagte ein Belfaster Anwalt, dessen Name in irischer Version fast nur aus Konsonanten besteht. „Weil sie das nie korrekt hinkriegen, werden gerichtliche Vorladungen nicht wirksam.“ Brian Keenan, eine der Geiseln im Libanon, bestand während seiner Gefangenschaft darauf, Ire zu sein, obwohl er aus dem unionistischen Ost-Belfast stammt. Er ist davon überzeugt, daß diese Entscheidung seine Freilassung beschleunigt hat. Und David Capper, ein in Nordirland geborener BBC-Journalist, konnte während des Malwinenkrieges als einziger britischer Journalist aus Buenos Aires berichten: Er hatte sich entgegen seiner politischen Überzeugung einen irischen Paß besorgt und durfte damit nach Argentinien einreisen.

Manchmal funktioniert es freilich auch umgekehrt: Irlands erster Boxweltmeister, Barry McGuigan, hatte einen britischen Paß, weil Irland keinem Profiboxverband angeschlossen ist. Und Gerry Fitt, ein Gründungsmitglied der nordirischen Bürgerrechtsbewegung und später Unterhausabgeordneter für West-Belfast, nahm seine britische Staatsbürgerschaft offiziell an, als er zum Lord ernannt wurde. Seitdem heißt er „Fitt the Brit“.

Viele IrInnen haben übrigens gar keinen Paß: Bei Reisen zwischen Irland und Großbritannien braucht man ihn seit den vierziger Jahren nicht mehr, und für Reisen in entferntere Länder fehlt oft das Geld. Wer einen irischen Paß beantragt, kann sich seinen Namen aussuchen, muß aber seinen bisherigen Namen sowie die Gründe für den Änderungswunsch angeben. Der Abgeordnete Sean Loftus hat sich in den siebziger Jahren in „Dublin Bay“ umbenannt, als er eine Bürgerinitiative zur Erhaltung der Dubliner Bucht gründete. Und Rory O'Hare sagte: „Ich hätte mich auch Donald Duck nennen können. Ich hätte es der Behörde nur plausibel machen müssen.“ Ralf Sotscheck, Dublin

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