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Rote Sonne, rotes Land

■ Einige aufrechte Berliner Samurais, von denen man nichts weiß, außer daß sie nicht ganz dicht sind, kämpfen mit einer anonymen Anzeigenkampagne gegen die Länderfusion

Der aufrechte Gang ist gefragt, um „der beispiellosen Kampagne des Kartells der Abkassierer Paroli zu bieten“. Klingt eigentlich ziemlich revolutionär. Doch wer angesichts dieser klaren Worte frohlockt, neue Genossen im Kampf gegen Kapital und Patriarchat zu finden, wird leider enttäuscht.

Die kämpferischen Töne stammen von der Aktion „Nein zur Fusion – Berlin bleibt frei“, die sich Mitte Februar gegründet hat. In Anzeigen wird mit Parolen wie „Starke Metropole statt rote Provinz“ und „Keine roten Adler über Berlin“ gegen die Fusion von Berlin und Brandenburg Stimmung gemacht. Wer da nun so aufrecht schreitet, bleibt nebulös, weil die Initiatoren zunächst ihre Anonymität wahren wollen. Rechtsanwalt Peter Prause, der die Initiative nach außen vertritt, verrät soviel, wie er weiß, und das ist nicht gerade viel: Die Mitglieder lassen sich an den Fingern zweier Hände abzählen, unter ihnen befinden sich zwei Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Woraufhin Klaus Landowsky zartfühlend verspricht: „Falls von uns welche dabei sind, nehme ich mir die persönlich vor.“

Das könnte für ihn allerdings gefährlich werden, denn die Aktivisten greifen im Kampf gegen die Länderehe auf japanische Weisheiten zurück. Bürgerliche, die die Fusion kampflos hinnehmen, „gleichen einem lebensmüden Samurai, der beim morgendlichen Duell freiwillig gegen die aufgehende rote Sonne blickt und deshalb zwangsläufig verliert“, wissen die Initiatoren der Aktion zu berichten. Da sie aber nicht davon ausgehen, daß das bürgerliche Lager Berlins nur aus Lemmingen besteht, ist der Kampf gegen die rote Sonne, die rote Provinz, den roten Adler, den roten Beamtenapparat noch nicht verloren.

Aber schwer wird's dennoch, hat doch eine Wähleranalyse der Initiative bewiesen: „In einem fusionierten Bundesland bleiben die linken Parteien mindestens 24 Jahre an der Macht.“ Kein Wunder, hat doch Johannes Rau sein rotes trojanisches Pferd in Form des Beamtenapparates aus dem fernen Nordrhein-Westfalen ins nahe gelegene Brandenburg geschickt. Dieser „mächtige Rhein/Ruhr-Klüngel“ hat in Brandenburg versucht, die Umzugsentscheidung des Bundestages zu verhindern. Doch die Initiative weiß noch mehr: Hinter alldem steckt Stolpes Staatskanzleichef Linde aus Essen. Dessen Ziel ist der Machterhalt seines Heimatgebiets, weshalb er die Entwicklung Berlins zur Hauptstadt verhindern muß.

Unausweichlich und schon jetzt absehbar sind die Folgen einer Fusion, vor denen die Initiative eindringlich warnt. „Keine Straßen“, das ist eine der Folgen, was den aufrechten Gang wahrscheinlich erschweren dürfte, die „Los-Angelesierung Berlins“ ist eine andere Folge, was auch immer damit gemeint sein mag. Weitaus schwerer wiegt aber wohl die Aussicht auf „eine wirtschaftsschwache Insel inmitten einer ansonsten boomenden Republik“. Wenn mit der boomenden Republik die neuen Bundesländer gemeint sind, könnte sich Landowsky ja doch noch mit der Initiative anfreunden.

Die Suche nach neuen Mitgliedern gestaltet sich derzeit noch schwierig. Weil die Anonymität der Initiatoren gewahrt bleiben soll, können Eintrittswillige den Kampf gegen das Böse bisher nur durch Spenden unterstützen. Die Initiatoren wollen sich allerdings zu gegebener Zeit outen. Dann wird Berlin von mutigen Samurais bevölkert. Gesa Schulz

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