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Ein Kuckucksei für Felipe González

Ehemaliger Chef der spanischen Guardia Civil nach zehn Monaten Flucht in Laos verhaftet / Regierung González freut sich über den Fahndungserfolg und zittert vor seinem Wissen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Er war nicht nur der meistgesuchte Mann Spaniens, sein Name steht auch wie kaum ein anderer für die Korruptionsskandale der Regierung Felipe González: Luis Roldán, der ehemalige Chef der spanischen Guardia Civil, wurde am Montag um 18.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit von fünf spanischen Polizeibeamten in Laos verhaftet, nach Bangkok gebracht und von dort nach Madrid ausgeflogen. Eine Flucht, die zehn Monate vorher in Madrid begonnen hatte, war zu Ende. 144 Polizisten, die seither seine Spuren verfolgten, können sich beglückwünschen.

Noch bis November 1993 galt Luis Roldán, Mitglied der sozialistischen Regierungspartei PSOE, als möglicher Innenminister. Als erster Zivilist hatte er 1986 die Leitung der paramilitärischen Guardia Civil übernommen. Eine Veröffentlichung in der Tageszeitung Diario 16 bereitete den Karriereträumen Roldáns ein jähes Ende. Der nämlich hatte für seinen Lebensabend schon vorgesorgt, bevor er Minister werden sollte: Mit über 5 Millionen Mark bezifferte man damals das Privatvermögen des Staatsdieners – bei einem Monatsgehalt von 12.000 Mark. Heute ist klar, daß dies viel zu tief gegriffen war. Ermittlungsrichterin Ana Ferrer schätzt mittlerweile sein Vermögen auf mehr als ein Zehnfaches des damals vermuteten Betrags. Zahlen bis zu 70 Millionen Mark werden gehandelt.

Seinen Reichtum verschaffte sich Roldán ganz nach italienischem Vorbild. Kein einziger der Bauaufträge für Kasernen der Guardia Civil wurde öffentlich ausgeschrieben. Angeblich aus Sicherheitsgründen suchte der Chef persönlich die Baufirmen heraus, die den Zuschlag erhielten. Diese dankten, wen wundert's, mit Kommissionszahlungen. Damit aber nicht genug: Monat für Monat zahlte sich Roldán 13.000 Mark aus den Töpfen des Innenministeriums aus, genauer: aus Geheimfonds zur Terrorismusbekämpfung. In einem Schließfach der Genfer „Union des Banques“ fand Richterin Ferrer eine detaillierte Auflistung der illegalen Einkünfte.

Nach der Veröffentlichung beschloß das Parlament einen Untersuchungsausschuß, Richterin Ferrer begann ihre Ermittlungen. Als Roldán selbst Auskunft geben sollte, verschwand er am 29. April vergangenen Jahres – was die Regierung in eine Krise stürzte, die mit dem Rücktritt des damaligen Innenministers Antonio Asunción kaum beizulegen war. Um Roldán geisterten schnell wilde Gerüchte: In Angola oder Venezuela wollten ihn Medienvertreter genauso entdeckt haben wie in Südafrika und der Karibik.

Die angeschlagene Regierung des Felipe González befindet sich in einer Zwickmühle. Der Fahndungserfolg tut gut – aber der Schuß kann nach hinten losgehen. Luis Roldán hat mehr als einmal angekündigt, niemanden schonen zu wollen. „Ich habe genau zwei Möglichkeiten: mir eine Kugel zu setzen oder alles aufzudecken“, so sein meistzitierter Satz aus einem Interview, das er während seiner Flucht in Paris der Zeitung El Mundo gab. Immer wieder trat er die Flucht auch nach vorne an und spielte der Presse Informationen darüber zu, wer sich noch alles unter Mitwissen von Felipe González und Vizepräsident Narcis Serra in den Staatskassen bedient hatte. Die Beschuldigten freilich wollen davon nichts wissen.

Auch in der anderen Affäre, die in diesen Wochen Spaniens Regierung erschüttert, könnte Roldáns Wissen von Bedeutung sein. Nach dem Wahlsieg der Sozialisten 1982 war er zum Zivilgouverneur in der Nordprovinz Navarra berufen worden. Genau in seinen Teil der Pyrenäen fällt die Grenzstation, die den Söldnern der Anti-ETA- Truppe GAL diente, um unerkannt zwischen Spanien und Frankreich hin- und herzuwechseln. Ermittlungsrichter Baltasar Garzón, der den Verdacht der staatlichen Finanzierung des schmutzigen Krieges der GAL gegen baskische Flüchtlinge untersucht, dürfte auf ein Interview mit Luis Roldán gespannt sein.

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