: Ernste Warnung an die Telekom-Schwestern
■ EU-Kommissar van Miert will das deutsch-französische Atlas-Projekt ablehnen
Brüssel/Berlin (rtr/taz) – Karel van Miert hat wenig Respekt vor nationalen Ministern und Konzernen. Am Mittwoch abend mußten deshalb die Vorstandschefs der deutschen und der französischen Telefongesellschaften in Brüssel dem Wettbewerbskommissar der EU erklären, was sie mit ihrem Gemeinschaftsprojekt „Atlas“ vorhaben. Van Miert hatte ziemlich peinliche Fragen zu stellen. Denn nicht nur der Name klingt großartig, das Geschäft ist es auch. Mit Marktwirtschaft hat es nichts zu tun. Die beiden Gesellschaften wollen unter dem Dach ihres Atlas-Projekts just die Telekommunikationsdienste anbieten, die schon heute nicht mehr unter dem Monopolschutz des Staates stehen.
Datenleitungen etwa, wie das deutsche Datex-P-Netz. Da haben private Konkurrenten kaum noch eine Chance. Denn das Geld, das zum Ausbau dieses Zukunftsgeschäfts erforderlich ist, müssen die beiden ehemaligen Staatsunternehmen nicht auf dem freien Markt verdienen. Sie proftieren weiterhin vom Monopol für die Telefonnetze, das ihnen aus den Tagen der Staatspost geblieben ist.
Bis zum ersten Januar 1998 darf dieser Sondergewinn nach dem Willen des EU-Ministerrates weiter sprudeln. Wettbewerbswächter van Miert kann dieser Schonfrist ohnehin nichts abgewinnen, jetzt möchte er wenigstens den Schaden begrenzen. Das Atlas-Projekt werde in der bisher bekannten Form nicht akzeptiert, teilte er den beiden Vorständen mit.
Das Gespräch sei durchaus „konstruktiv“ verlaufen, sagte der deutsche Telekom-Sprecher Klaus Czerwinski. Doch die deutsch- französischen Schwestern müssen nachsitzen. Van Miert beschwert sich darüber, daß der Kommission bisher nur Bruchstücke des Projekts vorgestellt worden sind, aus den vorgelegten Papieren sei die gesamte Dimension des Vorhabens nicht zu erkennen. Insbesondere fehle jeder Hinweis auf das geplante Joint-venture der Atlas- Gesellschaft mit der drittgrößten Telefongesellschaft in den USA, der Sprint Corporation.
Tatsächlich war das Atlas-Projekt von Anfang an im Hinblick auf einen transatlantischen Stützpunkt konzipiert worden. Mit dem Wunschpartner Sprint in den USA und den Netzmonopolen zu Hause wäre die Übermacht der deutschen und französischen Telekomriesen kaum noch zu brechen. Soweit in Brüssel bekanntgeworden ist, will van Miert wenigstens eine Säule des Supergeschäfts zu Fall bringen. Sein Vorschlag setzt den Ministerrat und die Telekom-Schwestern gleichermaßen unter Zugzwang: Entweder fällt das nationale Netzmonopol schon vor dem vereinbarten Termin, oder das deutsch-französisch-amerikanische Dreieck scheitert am Einspruch der EU- Kommission. Niklaus Hablützel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen