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Nicks Hotel war schon mal besser

■ Frankfurter Gericht ordnet Auslieferungshaft für den Barings-Spekulanten Leeson an

Frankfurt/Main (taz) – „Klapperfeld“ heißt der vierstöckige Kasten in der Frankfurter Innenstadt. Die Gitter vor den Fenstern des Gefängnisses sind verrostet. Nick Leeson ist eigentlich Besseres gewohnt. Stundenlang mußte er gestern den Anblick noch von innen ertragen, eine Aussicht, die sonst vor allem erkennungsdienstlich behandelte DemonstrantInnen kennen. Gegen 15.20 Uhr schließlich verkündete der Sprecher der hessischen Generalstaatsanwaltschaft, Hans-Hermann Eckert, den Beschluß des 2. Strafsenats des Frankfurter Oberlandesgerichts: „Der britische Staatsbürger Nicholas William Leeson, geboren 25.2. 1967, wird vorläufig in Auslieferungshaft genommen.“

Noch immer keine Erlösung für den Wertpapierhändler, der eigentlich nur nach Hause fliegen wollte. Sein Arbeitgeber, die Barings Bank, ist pleite, aber nicht weil Nick sie reingelegt hat. Er wollte nur einen Verlust abwenden, verriet er der britischen Boulevardzeitung Sun. Ganz mag diese Legende hier niemand glauben, auch wenn Leeson im selben Blatt droht, er werde notfalls die Namen der wahren Schuldigen nennen. Er selbst durfte gestern nur in das etwas bessere Gefängnis Frankfurt-Höchst umziehen. Erst in der nächsten Woche will das Oberlandesgericht damit beginnen, seinen Fall zu erörtern. Es wird eng werden im Verhandlungssaal. Schon gestern drängten sich vor dem Gefängnistor Fernsehteams aus aller Welt. Rechtsanwalt Eberhard Kempf, den der Börsianer engagiert hat, war zwischen Kameras und Mikro-Galgen kaum mehr auszumachen. Neues hatte er sowenig zu sagen wie Hans-Hermann Eckert, der die verständnislos lauschenden angelsächsischen Teams beschied, daß „die Gerichtssprache Deutsch“ sei.

Auch drinnen ging alles seinen teutonischen Gang. Drei Beamte waren aus Singapur angereist und hatten das Auslieferungsersuchen ihres Stadtstaates um einige Dokumente und Vorwürfe ergänzt. Daß Nick Leeson Pässe gefälscht hat, stellte sich als Irrtum heraus. Er soll wegen der Fälschung von Dokumenten zur Vorbereitung eines Betruges und wegen Untreue ausgeliefert werden. Die Entscheidung darüber, belehrte Eckert, betreffe nicht die eventuelle Strafbarkeit von Leesons Handeln, sondern einen hoheitlichen und diplomatischen Akt, über dessen Ausführung letztendlich die Bundesregierung zu entscheiden habe. Die neu vorgelegten Unterlagen könnten allerdings den Verdacht erhärten, daß Leeson sich strafbar gemacht habe. Singapur hat 40 Tage Zeit, weitere Erklärungen abzugeben.

Darüber, wohin Ehefrau Lisa Leeson abgereist ist, wahrte Staatsanwalt Eckert Stillschweigen: „Sie ist ein freier Mensch und kann reisen, wohin sie will.“ Ausgeliefert, versicherte Eckert, werde Leeson nach deutschen Gesetzen nicht, wenn eine „rechtsstaatswidrige Verurteilung“ zu erwarten sei, also zum Beispiel die Todesstrafe. „Geprüft“ werde, ob die in Singapur üblichen Prügelstrafen hierzulande rechtsstaatswidrig empfunden werden. Ein Auslieferungsverfahren ziehe sich ungefähr vier Monate hin, wenn alle Rechtsmittel genutzt werden. Am Ende gab der Staatsanwalt den englischsprachigen Teams doch noch nach. Er las den ersten Satz des Gerichtsbeschlusses in Übersetzung vor und schloß lakonisch: „That's all.“ Heide Platen Seiten 7 und 10

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