: „All what right is ...“
■ betr.: „Armer Tambureng-Mann“, taz vom 28. 2. 95
Lieber Matti Lieske! Gerade am Frühstückstisch Tränen gelacht über den „armen Herrn Tambureng-Mann“! Hingerissen Marie Vogelsberg, Tübingen
Ich kann auch den Wolfgang Maffay, äh, Niedecken, nicht besonders leiden, aber: Um dem Verdacht zu entgehen, du wolltest hier wie der sprichwörtliche Oberlehrer hohe gegen niedere, tiefe gegen platte Lyrik verteidigen, hättest du bemerken sollen, daß es durchaus keine grundsätzlichen Probleme bei der Verwandlung von Gedichten in eine andere Sprache gibt; daß es vielmehr, besonders bei Gesungenem, eine Schwierigkeit mit dem Klang gibt; das meiste, oder zumindest das Beste, bei Zimmermann, ist ja reine, bekiffte Spaßlyrik (zum Beispiel meine Lieblingszeile „Jewels and binoculars hang from the head of the mule“), mit der doch, billigerweise, auch jeder andere seinen Spaß treiben kann. Hör dir doch mal an:
It was raining from the first, and
I was dying then of thurst,
so I came in here.
But your long-time-curse-hurts,
but what's worse
is this pain in here,
I can't stay in here,
aint that clear...
Das klingt einfach prima, und klar kann das keiner nachdichten. Man denke nur an die Weissner- Übertragungen damals bei 2001, die ja auch von Dylan abgesegnet waren, wiewohl durchgängig völlig uninspiriert ... (aber nur, weil und soweit der Klang die Musikke macht!) und, all what right is, „Knocking on Heaven's Door“ könnte tatsächlich nur besser werden in einer Polt-Version ... Waldo Ellwanger, Berlin
Niedecken hat sich seinen Traum erfüllt, legt sich auf sein Leopardenfell und pfeift auf die Schriftgelehrten! Mattie Lieske hat nichts Besseres zu tun, als sich angesprochen zu fühlen und einen Verriß der Platte mit den eingekölschten Dylan-Songs zu schreiben. In Ordnung: Es ist kein Geheimnis, daß die letzten Platten von Niedecken, BAP und Co elend clean klingen. Und daß Niedeckens sprachliche Originalität in den letzten 15 Jahren erbärmlich gelitten hat, ist wohl den meisten schon aufgefallen. – Verdamp lang her, dat hä noch jet ze saare had.
Weshalb aber ein Dylan-Text oder auch Lyrik allgemein sich gegen die Übertragung ins Kölsche, Schwäbische oder Pfälzische mehr sträuben soll als gegen eine Übersetzung ins Hochdeutsche, wird Mattie Lieske noch mal erklären müssen: Ganz abgesehen davon, daß Dylan wohl keinen gesteigerten Wert drauf legen dürfte, daß er seine Songs in „Hochsprache“ verfaßt haben soll (was auch erklärt, weshalb er gegen Niedeckens Projekt nichts einzuwenden hatte), ist gar nicht einzusehen, weshalb die Übertragung aus einem Sprachsystem „Englisch“ in ein System „Hochdeutsch“ angemessener sein soll, als in ein System wie „Kölsch“. Es sei denn, man greift ganz tief in die Mottenkiste sprachwissenschaftlicher Ignoranz, verkennt, daß Dialekte durchaus eigene, von der „Hochsprache“ phonetisch, lexikalisch und grammatisch unterschiedene Sprachsysteme und dieser kommunikativ prinzipiell ebenbürtig sind (so steht das heute in jedem besseren Lexikon!).
Die Frage ist also nicht, ob Dialekte für die Übertragung von Lyrik taugen, sondern ob der einzelne Dialektpoet es bringt oder in Betulichkeit und Peinlichkeiten abgleitet. Jedenfalls sollten wir Niedecken ruhig an sein Wort erinnern, die Finger von einem kölschen Stones-Album oder einem Heinrich-Böll-Album zu lassen. Letzteres gibt es übrigens schon seit Jahren von einem anderen Kölschpoeten in einer musikalisch wie sprachlich beachtlichen Qualität: Rolly Brings, Mer kumme wick her. Winnie Ohlerth, Frankfurt
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