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Immer blauer Himmel über Bremen

■ Bremer Buchlese (7): Bremensienverlag J. H. Döll / Der Verleger verehrt Paris und Bukowski

„Ich lese gerade zum zehnten Mal Charles Bukowskis –Gedichte, die einer schrieb, bevor er aus dem achten Stockwerk sprang' “, sagt Jürgen Döll vom Johann Heinrich Döll Verlag. „Das entspricht meinem persönlichen literarischen Anspruch.“ Als Verleger beschäftigt er sich mit heimischen Klassikern wie „Bremens idyllischer Norden“ oder „Das Bremer Kochbuch“. Solche bunt-großformatigen Präsentbücher aus bringt er auf Hochglanzpapier als sogenannte „Bremensie“ heraus.

Die Bildbände versprechen ein permanent sonniges Bremen, weit ab der Schmuddelwetter-Realität.Der Foto-Himmel erstrahlt immer blau, in jenem Europa-Einheits-Blau, in dem Städtebände nun mal gehalten sind. TouristInnen oder PatriotInnen finden die Bücher in den Bremer Buchläden unter der Rubrik „Bremensien“, direkt über den in kindgerechter Höhe gestellten Büchern über Stadtmusikanten. In der Ecke der gefälligen Bremen-Bücher, direkt neben den Geschenk-Texten für alle Lebenslagen, sind die Bände aus dem Döll-Verlag in hoher Zahl vertreten. Von dem Begriff „Bremensien“ distanziert sich Döll jedoch: In seiner Werbung heißt es schlicht „Bremer Bücher“. „Denn alle bremischen Artikel sind im Grunde Bremensien, auch Bremer Silber“, sagt er.

Jürgen Dölls Urgroßvater gründete desn Verlag einst und gab ihm seinen heutigen Namen. Das Bücher-Verlegen blieb in der Familie, auch Jürgen Dölls Vater machte Bücher, und der Sohn lernte Buchhandels- und Verlagskaufmann. „Doch danach hatte ich damit kaum was am Hut“, betont Jürgen Döll. Nach seiner Ausbildung arbeitete als Exportkaufmann in Antwerpen und Paris, um dort später beim „Medienriesen Bertelsmann“ das allgemeine Marketing zu managen. Warum er nicht in der Ferne blieb, sondern ins real naßkalte Bremen zurückging, begründet er mit der „Faustregel aller Deutschen in Paris“: Wer länger als sechs Jahre bleibt, der bleibt für immer. Und Pariser werden wollte er nun doch nicht: „Ich bin richtiger Bremer, wie sich das gehört“, sagt er mit patriotischem Nachdruck.

Aber das Flair der Weltstadt hat er sich wie zum Trotz an die Brust gehaftet. Der Verleger der „Bremer Fährleute“ und des Buches über „Mittelsbüren“ zitiert Hemingway: „Wenn du Paris als junger Mensch erlebt hast, dann trägst du es in dir“. So sitzt er nun in Oberneuland mit Paris-in-sich und schaut vom großen rustikalen Holzschreibtisch in ein Bremer Buchenwäldchen.

Bremische Bücher herauszugeben, hat einen pragmatischen Grund. „Das Interessante daran, Bücher über Bremen zu machen, ist die Überschaubarkeit. Man weiß, was es noch nicht gibt und was man anbieten kann“, sagt Döll. Die „Geschichte des Bremer Blocklandes“ hatte vor ihm noch keiner verlegt. Den Grundstein zu den Bremensien legte seine franzöische Frau. Sie schrieb 1982 ein Buch über die neue Heimat Oberneuland.

Das Problem sei allein die Wirtschaftlichkeit der kleinen Auflagen. Unter 3.000 Stück lohne es sich kaum, ein Buch herauszugeben. Die Grundkosten wie Satz, Korrektur, Gestaltung seien zu hoch. Pro Bremen-Buch rechnet Döll mit 3.000 bis 5.000 potentiellen KäuferInnen, eine zweite Auflage lohne sich kaum. Unter diesen KäuferInnen gibt es eine Gruppe von etwa 500 bis 1.000 BremerInnen, die Sammler sind, also alles kaufen, was über Bremen veröffentlich wird. Auf die TouristInnen als Einnahmequelle setzt Döll nicht sehr. Und seine Bücher sind auch eine Verlegenheitslösung in Buchformat: als beliebtes Weihnachtsgeschenk und Mitbringsel. Döll weiß, daß er damit einen großen Umsatz macht. Für die ausländischen Geschäftsleute gibt es den großen Bremer Bildband auch in Englisch und Französisch. Aber die Brötchen verdient der Verlag mit Bedrucktem zum Abreißen: mit Wandkalendern mit Kunstreproduktionen, oder Witzzeichnungen.

Der kleine Vertrieb ist nur auf Bremen und Hamburg ausgerichtet. Lesen, Korrektur, Gestaltung macht Döll zusammen mit seinen vier festen MitarbeiterInnen und einigen Teilzeitkräften in Eigenregie. An vielen Dingen „knobelt man dann herum“. Die Vision vom Endprodukt „Bremensie“ bestimmt dabei sein Vorgehen. Döll denkt sich aus, was im Regal stehen soll: „Wir kreieren ein ganz bestimmtes Buchprojekt.“ Und ganz zum Schluß findet sich dann auch noch ein Autor, der den Text über blauen Bremer Himmel schreibt.

Vivianne Schnurbusch

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