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"Dann verschwindest du!"

■ Vor der Hallen-WM denkt der 31jährige Sergej Bubka, bester und perfektester Stab- hochspringer aller Zeiten, intensiv über eine Zukunft ohne Ruhm, aber mit dem Stab nach

Sein Ex-Trainer Petrow hat weise gesagt, daß der Mann „den Stabhochsprung dem Flug ähnlich gemacht“ habe. Da ist etwas dran: Sergej Bubka (31) hat die Sportart in jeder Beziehung in neue Dimensionen katapultiert. Der Ukrainer hat 35 Weltrekorde (derzeit 6,15m in der Halle, 6,14m draußen), um es in seinen Worten zu sagen, „der Welt geschenkt“. Wobei allerdings nur die ersten zwanzig kostenlos waren; danach hat er auch ökonomische Maßstäbe für seine Zentimeterverbesserungen gesetzt. Der unprätentiöse Familienvater (zwei Söhne) ist ein hart arbeitender Perfektionist mit leicht romantisch verquastem, nichtsdestotrotz beachtlichem Sozialengagement. Seine Bubka-Springerschulen im heimischen Donezk und in seinem Teilzeit-Wohnort Berlin sollen dem Mann auch den Absprung aus dem Hochleistungssport abfedern helfen. „Wenn du keine Aufmerksamkeit mehr hast, verschwindest du“, beschreibt er das problematische Ende einer Sportlerkarriere, das auch für ihn naht. Zuvor aber möchte Bubka Olympiagold in Atlanta, in Stockholm den fünften WM-Titel in Folge sowie den Sieg bei der heute beginnenden Hallen-WM in Barcelona.

taz: Sie l e b e n in Berlin, heißt es? Wieviel Zeit verbringen Sie i n der Stadt?

Bubka: Schwer zu zählen. Ich reise zuviel. Ich bin ja für Training und Wettbewerbe unterwegs. Aber vier, fünf Monate pro Jahr bin ich, denke ich, schon hier.

Wie nutzen Sie sie, wie erfahren Sie die Stadt?

Ich denke, es ist eine gute Stadt. Eine, in der man alles finden kann... Es ist nur so: In meiner Situation trainiere ich fünf, sechs Stunden am Tag, und danach kann man nicht noch sehr viele andere Sachen tun. Man fühlt sich müde, man fühlt sich schrecklich. Es ist schon so, daß ich fast die gesamte Zeit, die ich habe, für den Sport verwende. Manchmal gehen wir mit der Familie in Kneipen oder in den Zoo. Am liebsten gehe ich in den Wald. Da habe ich Zeit, allein zu sein, und Zeit, mich zu erholen.

Können Sie demnach nicht abends ins Kino gehen, oder haben Sie – weil sie Stabhochsprung leben – kein Bedürfnis danach?

Ich denke schon daran, manchmal auch während des Trainings, ich möchte auch gern gehen, aber es geht nicht. Es ist so: Man muß alles tun, um bessere Resultate zu erzielen und alles berücksichtigen, was damit zusammenhängt. Ich sage mir also: O.k., warte noch ein bißchen, wenn der Sport einmal vorbei sein wird, hast du eine Menge Möglichkeiten. Aber wenn du Sport auf höchstem Niveau betreibst, wenn du dich verbessern willst, mußt du dich darauf konzentrieren.

Stabhochsprung, sagen Sie, sei Ihnen mehr als Sport?

Wissen Sie, ich bin so ein Charakter: Ich denke immer daran, etwas für Menschen leisten zu wollen. Vor allem möchte ich etwas für Kinder tun. All die Dinge, die ich hier und in der Ukraine zu tun versuche, haben mit Stabhochsprung zu tun. Auch in der Zukunft gibt es da eine Menge für mich zu tun.

Sie könnten das nicht tun, wenn Sie nicht d e r Bubka wären?

Jetzt arbeite ich hart, etwas zu tun zwischen meinen Wettkämpfen und dem Training. Aber im Moment bin ich Stabhochspringer und bemüht, meinen Sport hundertprozentig zu tun.

Wurden Sie als Stabhochspringer geboren?

Ich begann Stabhochsprung 1974. Von diesem Moment an habe ich natürlich viel Zeit darauf verwendet. Und meine Ergebnisse wurden von Jahr zu Jahr besser. Da konnte ich den Sport nicht wechseln. Ich mag viele andere Sportarten: Tennis, Fußball. In Europa ist Fußball die Nummer eins. Als Kind träumte ich davon, Fußball zu spielen.

Mit Ihrer Schnelligkeit hätten Sie womöglich ein besserer Oleg Blochin werden können?

Ich denke, ich spiele ganz gut, aber ich könnte auf diesem Niveau nicht mehr wechseln. Mein Sport hat mir eine Menge Dinge gegeben. Den Namen, den ich habe, habe ich durch das Stabhochspringen bekommen. Der hilft mir jetzt mit meiner Stabhochsprungschule, und so kann ich als Beispiel dienen für ein Leben im Sport, ein Beispiel, das auch Kinder in diesen Sport bringt. Es ist nicht so wichtig, ob die Kinder dann tatsächlich ein hohes Level erreichen, aber sie müssen auch den Sport kennenlernen, eine gute Erziehung bekommen. Der Sport regt ihre Phantasie an und lehrt sie träumen: Kinder müssen alles tun, um eine komplette Persönlichkeit zu werden.

Sie selbst aber sind festgelegt auf eine Sache?

Durch das eine kann man alles drum herum schaffen. Auch wenn man sich auf eine Sache konzentriert, können sich alle anderen Dinge entwickeln.

Was sagt Ihnen das Wort Zukunft?

Ich denke, Stabhochsprung kann auch in der Zukunft weitergehen. Ich denke immer daran, ich habe schon vor vielen Jahren an die Zukunft gedacht. Mag sein, daß junge Menschen nicht dran denken, und so kommt eines Tages, wenn das Sportlerleben zu Ende ist, möglicherweise eine harte Zeit auf sie zu. Die öffentliche Resonanz läßt nach, es ist vielleicht nicht einfach, Spaß und Interesse im Beruf zu finden. Es ist, als begänne in mittlerem Alter das Leben noch einmal völlig neu. Diese Periode ist für berühmte Sportler die schwierigste. Daher versuche ich mit der Arbeit in meiner Schule etwas vorzubereiten, um so etwas leichter durch diese Probleme zu gelangen.

Wird Ihnen Ihr Sponsor Nike bei Ihrem Engagement über das Ende der sportlichen Karriere hinaus folgen?

Ich habe den Eindruck, daß ich mit Nike eine gute Verbindung habe. Die helfen mir, bessere Resultate zu erreichen. Aber sie engagieren sich auch für die Stabhochsprungschule in Donezk. Im Moment gibt es Verhandlungen, die sehr weit fortgeschritten sind. Wie es aussieht, werden sie die Kinder dort unterstützen, um ihnen bessere Chancen zu ermöglichen.

Über das Ende Ihrer Weltrekordserie hinaus?

Es sieht gut aus... Wir reden über eine Fortsetzung für einige Jahre.

Ihr Vertrag läuft 1996 aus?

Ja. Aber es gibt viele Möglichkeiten, danach zusammenzuarbeiten. Ich denke, die sind schon an mir interessiert, meinem Namen, meiner Arbeit.

Stimmt Sie der Gedanke froh?

Es ist wirklich psychologisch schwierig, wenn ein bekannter Athlet aufhört. Die Aufmerksamkeit fehlt. Jetzt will jeder ein Interview, jeder etwas wissen. Wenn du niemanden mehr interessierst, verschwindest du! Und das ist mental und psychologisch ein großer Streß für jemanden, der viele Jahre berühmt und begehrt war. Manchmal kann es auch gut sein, aber es kann auch jede Menge Schwierigkeiten mit sich bringen. Wie ich das schaffen werde, weiß ich nicht. Aber ich denke darüber nach. Das Gespräch führte

Peter Unfried

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