„Die Stasi-Kontakte waren völlig normal“

■ Hat Dieter Klein (PDS) durch seine Gespräche mit der Stasi der Volksbühne geholfen? / Heiner Müller, damals Volksbühnen-Dramaturg, vor dem Stasi-Untersuchungsausschuß

Nur eins ist unstrittig: Der PDS- Abgeordnete Dieter Klein, der von 1969 bis 1979 stellvertretender Intendant der Volksbühne war, hat mit dem Ministerium für Staatssicherheit häufig zu tun gehabt. Ob er dabei als Informeller Mitarbeiter fungierte und Leuten geschadet hat oder vor allem der Volksbühne nutzte, versucht seit Monaten ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß herauszufinden, der sich mit Stasi-Verbindungen von Abgeordneten befaßt. Doch auch der damalige Dramaturg an der Volksbühne, Heiner Müller, konnte gestern in der Frage kaum weiterhelfen. „Es war völlig normal, daß Klein als Verwaltungsdirektor Kontakte zur Stasi hatte“, sagte Müller, „ohne Kontakte hätte ein solcher Betrieb gar nicht funktionieren können.“

Die SED-Bezirksleitung habe von ihrer Möglichkeit, eine Empfehlung gegen die Aufführung von Stücken auszusprechen, häufig Gebrauch gemacht, berichtete Müller. Diese Empfehlungen seien allerdings nicht bindend gewesen. Nur einmal sei ein vom Ensemble als harmlos eingeschätztes Stück tatsächlich verboten worden, das nach Diskussionen zwischen Schauspielern und Parteifunktionären die Zensur zwei Wochen später dann aber doch passiert habe. Klein, der sich grundsätzlich für die Aufführung von Stücken eingesetzt habe, so Müller, habe in Debatten mit seiner Sprache und seinen Argumenten mehr erreichen können als die Theaterschaffenden. „Wir waren doch viel zu intellektuell, um mit Funktionären reden zu können“, sagte Müller.

Auch Müller, der nie Auskünfte über Personen gegeben haben will, hat mit der Stasi zu tun gehabt. Ein Freund wollte während eines Aufenthalts in der Schweiz sein DDR- Visum verlängern lassen. Müller wandte sich in dieser Sache nach einem erfolglosen Versuch bei der SED-Bezirksleitung an Dieter Klein. Dieser hatte Müller für Notfälle einen Bekannten angeboten – den damaligen Führungsoffizier Girod. Girod sollte ab da immer öfter in Müllers Leben auftauchen. Gemeinsam mit Klein kam es zu regelmäßigen Gesprächen in einer konspirativen Wohnung über Kulturpolitik, aber auch über Stücke der Volksbühne. Ihm sei klar gewesen, sagte Müller gestern, wer vor ihm gesessen habe: „Ich hatte die Illusion, Dinge beeinflussen oder verhindern zu können.“

Auch die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley und Helmut Humann waren gestern als Zeugen geladen – erschienen aber nicht. Der Ausschuß wollte eigentlich noch vor den kommenden Osterferien einen Abschlußbericht vorlegen, doch auch durch die Krankheit des PDS-Abgeordneten Norbert Pewestorff ist es zu Verzögerungen gekommen.

Bisher hat der Untersuchungsausschuß weder zu Pewestorff noch zu den PDS-Abgeordneten Dieter Klein und Bettina Pech, deren Gauck-Unterlagen zur Prüfung anstanden, beweiskräftige Ergebnisse gebracht. Von Pewestorff ist bislang nur bekannt, daß es einen Anwerbungsversuch der Stasi gab, von Bettina Pech wurde eine Stasi-Karteikarte mit ihrem Namen gefunden. Dirk Wildt