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Der Junge ist von Sinnen Von Ralf Sotscheck

Als er einer Banane vor laufender Kamera ein Kondom überstülpte, fiel die halbe TV-Nation in Ohnmacht. Das war Anfang der achtziger Jahre. Später quetschte er zwei lesbische Nonnen in seiner Talk- Show aus und löste damit einen einzigartigen Proteststurm aus. Vor Gay Byrne gab es keinen Sex in Irland, stellte eine Zeitschrift damals fest. Der 60jährige ist ein Dauerbrenner, seine Talk-Show läuft seit 33 Jahren. Darüber hinaus hat er morgens eine zweistündige Radiosendung.

Trotz des verbalen Dauerbeschusses erzielt Byrne jeden Freitag die höchste Quoten. Dabei hält ihn die Hälfte seiner ZuschauerInnen laut Umfragen für arrogant, unsympathisch und sexistisch, die andere Hälfte für unverschämt und dümmlich. Noch heute kreidet man ihm an, daß er vor der britischen Ex-Premierministerin Margaret Thatcher wie ein Wurm gekrochen ist und ihr eine Stunde lang Honig ums eiserne Maul geschmiert hat. Als er dagegen Gerry Adams als Studiogast eingeladen hatte, holte er sich vier ausgewiesene Feinde des Sinn-Féin-Präsidenten zu Hilfe. Vorsichtshalber lief Byrne während der gesamten Show wie ein aufgescheuchtes Huhn herum, damit er sich nicht neben Adams setzen oder ihm gar die Hand schütteln mußte.

Einmal beendete der Talk-Opa sogar eine Politikerkarriere: Am selben Tag, an dem die IRA in einem Belfaster Fischgeschäft ein Blutbad angerichtet hatte, war der damalige Nordirlandminister Peter Brooke zu Gast bei Byrne. Der redete ihn so schwindlig, daß Brooke die zehn Bombenopfer vergaß und „Oh my darling, Clementine“ ins Mikrofon quiekte. Die Zeitungen waren sich am nächsten Tag uneinig, welche Geschmacklosigkeit schlimmer war: die musikalische oder die politische.

Byrne hat einen Konkurrenten, der sich selbst zum Kronprinzen ernannt hat: den 46jährigen Pat Kenny, der als Nachrichtensprecher angefangen hat und den Durchbruch mit der Präsentation des Eurovisions-Wettsingens schaffte. Seither hat er seine eigene Talk-Show am Samstag sowie eine tägliche Radiosendung – direkt im Anschluß an Byrnes Plauderstunde. Die beiden können sich nicht leiden. Um Kenny eins auszuwischen, trat Byrne drei seiner Radiosendungen an seinen Assistenten Joe Duffy ab, den er zum Nachfolger aufbauen will.

In der vergangenen Woche brach der Streit zwischen den beiden flachsinnigen Plappertaschen offen aus. Die Nation nimmt regen Anteil, eine Sonntagszeitung hat den „Star Wars“ den Aufmacher und eine Doppelseite gewidmet – so viel Platz bekam nicht mal der IRA-Waffenstillstand. Der „Krieg der Stars“ begann mit der zweiten Schwangerschaft von Kennys Frau Cathy. Der Samstagabend gehöre der Familie, tönte Kenny und verlangte von Byrne, die Sendeplätze zu tauschen – schließlich werde der Alte ja kein Kind mehr zeugen. „Der Junge ist von Sinnen“, konstatierte Byrne empört. Außerdem sei er ein Plagiator und klaue ihm die besten Ideen. „Gay soll aufhören zu winseln“, meinte Kenny ungerührt und beschuldigte Byrne, ihm ständig die Gäste abspenstig zu machen. Eins haben die sinnlosen Feindseligkeiten freilich bewirkt: Sie haben die Einschaltquoten der beiden verschnarchten Schnattershows in neue, schwindelerregende Höhen getrieben.

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