: Sozial verpackt verkauft sich vieles einfach besser
■ Unternehmer und Politiker berieten Beitrag von Konzernen zur sozialen Entwicklung
Kopenhagen (taz) – Obwohl viele große Konzerne über deutlich mehr Geld verfügen dürften als so manche der teilnehmenden Staaten und obwohl sie oft nicht gerade unschuldig sind an Armut und Ausbeutung, war von ihnen auf dem Kopenhagener Sozialgipfel kaum die Rede. Ob nicht auch Unternehmen etwas zur sozialen Entwicklung beitragen sollten, darüber diskutierten vergangene Woche am Rande des Sozialgipfels Topmanager und einige Politiker in einem Hotel nahe der dänischen Hauptstadt. Marshall Carter, Geschäftsführer der State Street Bank and Trust Company aus Boston, forderte ausdrücklich, daß Mittel aus dem privaten Sektor in soziale Entwicklung im Süden fließen müßten.
Soziale und politische Unruhen sind nicht im Interesse der Multis, dagegen ist ein wenig mehr Wohlstand in den Entwicklungsländern für die Unternehmen gleichbedeutend mit neuen Märkten. Wie könnten Entwicklungsländer zusätzliche finanzielle Ressourcen erhalten, wenn die Entwicklungshilfe nicht erhöht wird? Zum Beispiel, indem sie die ausländischen Unternehmen anzapfen, die in Billiglohnländern investieren. Wenn eine US-Firma in Thailand produzieren läßt, könnte die Regierung in Bangkok einen kleinen Teil der Lohnkosten, die der US-Konzern dort einspart, als Abgabe für soziale Zwecke einbehalten.
Nicht, daß diejenigen, die von den ausbeuterischen Strukturen und der Armut der Länder des Südens profitieren, plötzlich das schlechte Gewissen gepackt hätte. Sozial verpackt verkauft sich vieles einfach besser. Die Tagung in Kopenhagen paßt in den Trend, daß sich große Unternehmen als sozial verantwortungsbewußt zu präsentieren versuchen. Umfragen in den USA haben ergeben, daß mindestens ein Drittel der Kunden sich stärker von dem sozialen Engagement einer Firma beeinflussen lassen als von Werbung.
Jeanshersteller Levi Strauss geht hier voran. Der größte Kleidungsproduzent der Welt kündigte die Verträge mit Lieferanten, die den von Levi Strauss definierten sozialen Standards nicht entsprachen. In Europa ist es vor allem die Idee des fairen Handels, der Entwicklungländern ein höheres Einkommen unabhängig von Entwicklungshilfe ermöglichen soll. Ein anderer Vorschlag will Banken und private Rentenversicherungsfonds stärker in die soziale Entwicklung einbinden. Es müßten Wege gefunden werden, daß sie anders als bisher auch Kredite an Kleinstunternehmer vergeben – als Hilfe zu Selbsthilfe.
An einen neu bei der Weltbank einzurichtenden Fonds dachten einige. In diesen sollten Rentenversicherungsfonds investieren, und der Fonds würde dann das Geld als Kleinstkredite an Menschen in den Entwicklungsländern weitergeben. Ob ein solch zentralistischer Ansatz hierfür sinnvoll ist, fragten sich die an große Maßstäbe gewohnten Unternehmer offenbar nicht. Die Seminarteilnehmer einigten sich darauf, sich im nächsten Jahr für konkretere Überlegungen noch einmal zusammenzusetzen. Nicola Liebert
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