: Die FDP-Rebellen von Könitz
■ Durch Austritte verliert die FDP ihre letzte richtige Hochburg
Berlin (taz) – Die Hochburg der FDP ist eingestürzt. Vergangene Woche trat die gesamte Ortsgruppe in dem 1.800-Einwohner- Dorf Könitz bei Saalfeld geschlossen aus der Partei aus. In Zahlen: Alle acht FDP-Mitglieder im Gemeinderat, einschließlich Bürgermeister Bernfried Ensenbach. Ab sofort kann sich weder Parteichef Klaus Kinkel noch der thüringische Landesvorsitzende Ulrich Fickel damit brüsten, daß die FDP – obwohl im Landtag nicht mehr vertreten – doch wenigstens noch in der Region ein kommunales Standbein hat. Bislang galt die Gemeinde den etwa 6.000 deprimierten Liberalen im Ländle als eine Art Muntermacher, besaß doch die FDP-Fraktion im Rat die absolute Mehrheit, eine in ganz Deutschland einmalige Konstellation. Vorbei. Die Rebellen von Könitz erledigten ihre Abrechnung gründlich. Sie warfen nicht nur ihre Parteibücher hin, nein, sie lösten auch noch gleich die ganze Ortsgruppe auf. Ab sofort kein Anschluß mehr unter dieser Nummer.
Ihre Kritik, dargelegt in einer achtzehnzeiligen Abrechnung, ist fundamental. „Wir fühlen uns nicht heimisch in einer Partei, deren westdeutsche Mitglieder Eigennutz zur obersten moralischen Qualität erhoben haben und deren ostdeutsche Plagiate auf Kreisebene wichtigtuerisch von Wirtschaftskompetenz schafeln“, heißt es da. Und weil die „politischen Signale, die von den Damen und Herren der Bonner Zentrale immer wieder gegeben werden“ dergestalt seien, daß ein weiteres Verbleiben in der Partei unmöglich sei, denkt jetzt die Ex-FDP-Fraktion über die Gründung einer Freien Wählergemeinschaft nach. Bürgermeister Ensenbach: „Unser Frust hat sich aufgestaut, ihn innerhalb der Partei abzuarbeiten ist doch sinnlos. Mit unserer Kritik kommen wir doch gerade bis zum Kreistag, ab dann ist Ende.“
Diese alte Hierarchie – Ortsgruppe, Kreisgruppe – droht nun zusammenzubrechen. Denn unter den Rebellen befand sich auch der FDP-Kreisvorsitzende Ulrich Jahn, also der Vorsitzende der Saalfelder Liberalen. Der Kreis ist daher ebenfalls kopflos. Auch die Basis von Saalfeld ist schon stark am Bröckeln. Dem Vernehmen nach soll der dortige Ortsvorsitzende Rainer Schroeder am Wochenende das Handtuch geworfen haben. „Unser Beispiel könnte Schule machen“, kommentiert der Könitzer Bürgermeister den Erosionsprozeß. Anita Kugler
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