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Ein Königreich für Rau

Die SPD setzt im nordrhein-westfälischen Wahlkampf voll auf Rau und kürt ihn mit 99 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten  ■ Aus Aachen Walter Jakobs

Eine solche Inszenierung war selbst Willy Brandt nicht vergönnt. Johannes Rau, überlebensgroß an der Stirnseite der Aachener Kongreßhalle prangend: So exzessiv hat sich noch kein sozialdemokratischer Parteitag dem Personenkult hingegeben. Daß es diesem Arrangement „jeglicher demokratischer Legitimierung durch Parteiorgane“ ermangelte, wie ein Genosse aus der Führungsebene der Partei hinter vorgehaltener Hand bitter feststellte, rundet das Bild nur ab: Der Landeschef kann schalten wie er will. Rau, Rau und nochmals Rau, mit dieser fast schon monarchistisch anmutenden Botschaft soll das Wahlvolk in NRW einmal mehr zur Stimmabgabe für die SPD gewonnen werden.

Die Idee für das monumentale Rau-Konterfei stammt von Harry Walter, einem ausgefuchsten Medienexperten und Wahlkampfprofi, der schon viele Wahlkämpfe der SPD in NRW erfolgreich zu visualisieren wußte. Rau selbst liebt die Rolle des alles überstrahlenden Landesvaters und er spielt sie nun schon seit fast 17 Jahren perfekt – bis ins letzte Detail. Selbst das Nummernschild seines Dienstwagens transportiert die Botschaft: D-LV steht für den Düsseldorfer Landesvater (LV)! Die Entscheidung, den Wahlkampf für die Landtagswahl am 14. Mai auf „einen Wettbewerb zwischen Herausforderer und Amtsinhaber“ zu reduzieren, wird Rau nicht müde zu verkünden. Tatsächlich verspricht diese Strategie angesichts des riesigen Sympathievorsprungs für Rau den größten Erfolg. Bei einer Direktwahl würde der Düsseldorfer Ministerpräsident den Umfragen zufolge rund 70 Prozent der Stimmen erzielen, sein Herausforderer Helmut Linssen von der CDU müßte sich mit etwa 27 Prozent bescheiden. Als Stimmenmaximierer für die SPD in NRW kann Rau niemand das Wasser reichen. Daß wissen auch diejenigen, denen das monarchistische Gehabe immer schwerer erträglich ist und die in Hinterzimmern mitunter ganz deftig mosern. Deshalb herrschte auch beim geheimen Wahlgang am Samstag wieder Geschlossenheit pur: 285 der 287 Delegierten kürten Rau auf Platz eins der Landesliste – 99,3 Prozent.

Doch ganz allein bleibt Rau im Wahlkampf nicht. An seiner Seite agiert in den nächsten Wochen „Gustavo“, ein spanischer Maler, dessen heitere bunte Fabelwesen auf Plakaten und Broschüren die „Lebendigkeit“ der NRW-SPD illustrieren sollen. Erst in der Schlußphase des Wahlkampfes wird das SPD-Programm auf Rau mittels Zigtausender von Porträtfotos „verdichtet“. Glaubt man dem Chef des Dortmunder Forsa- Instituts, Manfred Güllner, dann könnten sich die Parteien in NRW „den teuren Landtagswahlkampf sparen“. Die SPD, so Güllner „braucht nur zu verkünden: Rau bleibt. Das reicht.“ Eine aktuelle Infas-Umfrage sieht die SPD bei 50 Prozent, die CDU bei 37 Prozent und FDP und Grüne bei 5 beziehungsweise 6 Prozent. Trotz des hessischen Erfolgs steht die FDP in NRW weiter auf der Kippe. Achim Rohde wendet die Schwäche zur Wahlkampfwaffe für seine Truppe und geht mittlerweile mit diesem ambivalenten Slogan hausieren: „FDP – Fast Drei Prozent – Gebt uns den Rest“.

Nicht die Opposition, sondern die guten Umfragen sind zur Zeit Raus „größte Sorgen“. Seine absolute Mehrheit verteidigen kann er nur, wenn zwei Dinge zusammenkommen: Die totale Mobilisierung des eigenen Lagers und die Demotivierung der CDU-Sympathisanten. Diesen Spagat – die CDU-Anhänger in Hoffnungslosigkeit versetzen und gleichzeitig der eigenen Truppe verklickern, es komme noch auf jede Stimme an – schaffte die SPD bisher nur bei Landtagswahlen. Bei Bundestags- und Kommunalwahlen liegen die beiden großen Parteien regelmäßig eng beieinander. So erzielte die SPD bei den Kommunalwahlen im vergangenen Oktober mit landesweit 42,3 Prozent nur 2 Prozent mehr als die CDU. Raus Warnung am Wochenende, „gefährlich kann es dann für uns werden, wenn der öffentliche Eindruck entsteht, es sei ohnehin alles gelaufen“, läßt sich deshalb nicht nur als gezielte Propaganda abtun: Eine geringe Wahlbeteiligung birgt auch für den gütigen Landesvater ein gewisses Restrisiko. Darauf setzen nach wie vor die Grünen. Sie streben mit Macht in die Regierung. Die Chancen dafür sind zwar denkbar schlecht, weil Rau im Fall der Fälle ganz gewiß einer Koalition mit der FDP den Vorzug gäbe, aber die Grünen glauben nach wie vor an ihre Chance. Gestern debattierte der Landesparteirat sogar schon über die Zusammensetzung einer Koalitionsverhandlungs-Kommission, die, so hieß es im Antrag einer Landesarbeitsgemeinschaft, „von Partei und Fraktion paritätisch zu besetzen“ sei.

Wie es die Grünen gerne hätten, illustriert der jüngste interne Pressespiegel der Fraktion: Im Faksimile kündigten dort zwei fehladressierte Schreiben die rot- grüne Regierungszeit schon an. Schön ausgewogen zwischen den Flügeln suchte da jemand brieflichen Kontakt zu der „Ministerin“ Bärbel Höhn vom linken Flügel, und dem Realo-Vormann flatterte dieser Brief ins Haus: Dr. Michael Vesper, „Landesregierung Nordrhein-Westfalen“. Eine Perspektive, an der beide Gefallen fänden.

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