: Ehre, dieses Verbrechen begangen zu haben
■ Türkische Intellektuelle zeigen sich selbst an: für die Meinungsfreiheit
Istanbul/Ankara (AFP/AP) – Mehr als 700 türkische Intellektuelle haben am Freitag das Staatssicherheitsgericht des Landes in Istanbul aufgefordert, gegen sie ein Verfahren einzuleiten. Die Aktion ist Teil einer Kampagne von mehr als 60.000 Menschen, die sich gegen Vorschriften zur Einschränkung der Meinungsfreiheit wenden. Die Intellektuellen begründeten ihre Selbstbezichtigung vor dem Staatssicherheitsgericht mit der Veröffentlichung eines Sammelbandes, in dem Artikel von Autoren abgedruckt sind, die ihrerseits strafrechtlich verfolgt werden. Das Buch mit dem Titel „Die Freiheit des Denkens“ wurde von den 700 Intellektuellen gemeinsam herausgegeben. Vielen Autoren der darin abgedruckten Artikel wird „Separatismus“ vorgeworfen – der Standardvorwurf der türkischen Behörden für ein prokurdisches Engagement.
Das Staatssicherheitsgericht muß nun innerhalb von zwei Wochen zu dem Tatbestand Stellung nehmen. Zu den Organisatoren der Kampagne gehört der Komponist Sanar Yurdatapan. Er sagte am Freitag: „Die bisherigen Proteste wurden ignoriert, laßt uns zusammen ins Gefängnis gehen und die Ehre besitzen, dieses Verbrechen begangen zu haben.“ Ziel der Aktion sei es, den Gesetzgeber zu zwingen, das türkische Strafrecht mit internationalen Verträgen in Einklang zu bringen.
In dem Sammelband sind auch Erklärungen der acht prokurdischen Parlamentsabgeordneten enthalten, die wegen „Separatismus“ verurteilt worden waren. Einer von ihnen, Mahmut Alinak, der nach neunmonatiger Haft auf freien Fuß gesetzt worden war, ist in der vergangenen Woche nach eigenen Angaben an der Reise nach Deutschland gehindert worden. Ihm sei am Flughafen der Paß abgenommen worden, als er am Donnerstag auf Einladung von Bündnis 90/Die Grünen habe in die Bundesrepublik fliegen wollen. Alinak versicherte, er habe sich nicht absetzen wollen, da er seine Aufgabe als unabhängiger Abgeordneter für die südosttürkische Provinz Sirnak ernst nehme.
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