■ Vor dem erwarteten Ableben von Papst Johannes Paul II.
: Kampf um die Macht

Rein auf dem Papier hat die Eliteorganisation „Opus Dei“ ausgezeichnete Karten. Sie ist unter der Ägide Johannes Paul II. derart ins Machtzentrum der katholischen Kirche vorgedrungen, daß sie daraus kaum mehr vertreibbar erscheint. Ihr Gründer ist seliggesprochen, die Vereinigung selbst hat autonomen Status erreicht, der nicht mehr der Kurie, sondern dem Papst selbst zugeordnet ist; alle anderen wichtigen Gruppen, die einst den Hof des Nachfolgers Petri umgaben, Jesuiten, Dominikaner und die Laienorganisation Coumunione e liberazione oder die Azione cattolica, sind marginalisiert.

Dennoch haben die frommen Geheimbündler heute größere Sorgen denn je. Wie immer, wenn eine Gruppe allzusehr auf eine Person gesetzt hat, bricht unter Umständen mit deren Abtreten die Götterdämmerung an. Johannes Paul II., dem die meisten medizinkundigen Beobachter allenfalls noch ein Jahr einräumen, könnte einen Nachfolger bekommen, der sich schon aus Gründen des Kontrasts ganz andere Ratgeber holt.

Dem suchen die Opus-Leute dadurch entgegenzuwirken, daß sie sich unentbehrlich machen. Vor allem auf finanziellem Gebiet, und das hat im Vatikan Gewicht. Tatsächlich stehen sie da aber derzeit in heftigem Machtkampf mit anderen Gruppen, die heute ebenfalls allerlei ökonomische Vorteile bieten können. Der Orden vom Heiligen Grab zu Jerusalem etwa ist eines von mehreren Konkurrenzunternehmen, denen hochrangige Bankiers und Unternehmer angehören.

Doch auch in anderen Bereichen hat Opus Dei heute Sorgen. Viele ihrer Mitglieder hatten in den 70er und 80er Jahren hervorragende Beziehungen zu südamerikanischen Regierungen. Doch seit dort wenigstens ansatzweise Demokratie einkehrt, wechseln die Machthaber immer mal wieder, kommen auch Gruppen an die Macht, zu denen die Beziehungen weniger gut sind. Selbst in Italien, wo die Opus-Bewegung ihre Leute lange Zeit in höchsten Ämtern plazieren konnten, weht heftiger Gegenwind: Seit die Christdemokratische Partei verschwunden ist, haben die Opus-Männer ihre sicheren Listenplätze verloren.

Rosige Zeiten sind es also nicht, denen Opus Dei entgegensieht. Doch in den Mauern des Vatikans warnen gerade die Gegner des Elitevereins vor der Gefährlichkeit des angeschlagenen Riesen. Schon berichten Zeitungen über massive Komplotte innerhalb der Mauern von St. Peter. Opus Dei wird seinen Platz sicher nicht freiwillig räumen. José Ramoz Rachmanez

Soziologe und Vatikanspezialist, pendelt zwischen Rom und Ecuador