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Blinde Busfahrer bei der BVG?

■ Japanerin sexuell belästigt und aus BVG-Bus rausgeschmissen / Der Fahrer hat "nichts mitbekommen" / Für die BVG ist ein Fehlverhalten nicht ersichtlich

Beschäftigen die Berliner Verkehrsbetriebe blinde Busfahrer, die sich im Verkehr per Echolot orientieren? Dieser Verdacht drängt sich bei der Lektüre eines Briefwechsels zwischen dem BVG-Justitiariat und einer japanischen Chemiestudentin auf. Diese hatte sich beschwert, daß sie in einem Bus sexuell belästigt und dann mit Hilfe des Fahrers auf die Straße geworfen worden sei. Doch nach Angaben des BVG-Justitiariats hat der Mann „nichts wahrgenommen“.

Nach Angaben von Kazuko O., eine eher zurückhaltende Frau, war am 1. Februar in der Buslinie 184 folgendes passiert: Ein junger Mann habe sich neben sie gesetzt und seine Beine an den ihren gerieben. Als sie aufstand, um sich einen anderen Platz zu suchen, habe er zwischen ihre Beine gefaßt. In ihrem Entsetzen habe sie ihm eine Ohrfeige verpaßt und „Vergewaltigung“ geschrien, weil ihr nicht das richtige deutsche Wort einfiel. Doch kein anderer Fahrgast habe ihr geholfen. Statt dessen habe sich der Busfahrer „wie selbstverständlich auf die Seite des deutschen Mannes gestellt“ und sie angeherrscht, sie solle den Bus verlassen. Sie protestierte, warum sie und nicht der Belästiger aussteigen solle. Er drohte, er werde die Polizei alarmieren, sie erwiderte, das solle er bitte tun. Laut Kazuko O. verweigerte er das und erklärte statt dessen, er „habe Menschen zu ihrer Arbeitsstelle zu bringen“.

In ihrer Wut über diese zweite Demütigung schlug die Studentin die Brille des Belästigers herunter und zertrat sie. Daß er sich nicht wehrte, wertet sie als „klares Schuldgeständnis“. Dann habe ein anderer Fahrgast Partei für den Mann ergriffen, sie angeschrien und bei der nächsten Haltestelle „gewaltsam auf die Straße geworfen“. Der Busfahrer habe die Tür offengehalten und sie sodann verletzt liegenlassen. Eine Ärztin attestierte ihr am gleichen Tag Blutergüsse und Schürfverletzungen am ganzen Körper.

Die Studentin stellte Strafanzeige gegen alle drei Beteiligten, wegen sexueller Nötigung, unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung. Außerdem verfaßte sie einen Protestbrief an die Ausländerbeauftragte Barbara John, die diesen jedoch nur an die BVG weiterleitete. Die Antwort des BVG- Justitiariats erfolgte vor wenigen Tagen: Der Busfahrer sei angehört worden, habe aber „ein derartiges Geschehen nicht wahrgenommen und ist auch von keiner Seite entsprechend informiert worden. Er versicherte, daß er andernfalls sofort alles Notwendige unternommen hätte, was zu Ihrem Schutz und zur Klärung des Sachverhalts beigetragen hätte.“ Ein Fehlverhalten des Fahrers sei deshalb „zur Zeit nicht ersichtlich“.

Hat die Studentin sich also selber aus dem Bus geworfen? Hat sie sich die blauen Flecken selbst auf den Körper gemalt? Ihre Anwältin Gisela Leppers nennt das BVG- Schreiben „eine unglaubliche Frechheit“. Der Busfahrer habe vielleicht die sexuelle Belästigung nicht mitbekommen, aber daß er überhaupt nichts wahrgenommen habe, sei unerklärbar.

„Das hat mich gewundert“, gab auch der Pressesprecher der BVG zu. Er wollte sich aber nicht weiter äußern, weil das Verfahren schwebe. Das BVG-Schreiben sei „ein Zwischenbericht“ gewesen, und „nun müssen wir abwarten, was die Staatsanwaltschaft herausfindet“. Ute Scheub

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