: Rexrodt hebelt Kohl aus
■ FDP setzt sich im Streit um Kohlebeihilfe gegen Union durch: Es gibt keine neue Steuer
Bonn/Berlin (taz/AP/rtr) – Die Union, räumte Theo Waigel ein, habe sich nicht durchsetzen könne, weil dann die Koalition am Ende gewesen wäre. Was den Bundesfinanzminister (CSU) gestern maßlos ärgerte, war dem Bundeswirtschaftsminister (FDP) Anlaß zu unverhohlener Freude. Er sei „sehr froh“, verkündete Günter Rexrodt, daß es keine Ersatzsteuer geben werde, sondern die Subventionen mit Sparüberlegungen finanziert werden sollen.
Die Spitzen der Koalitionsparteien haben gestern über die seit Wochen strittige Frage der Finanzierung der Kohlesubvention beraten und beschlossen, wie sie nicht beantwortet werden soll. Eine Energiesteuer als Ersatz für den vom Verfassungsgericht verworfenen Kohlepfennig wird es nicht geben. Darauf verständigte sich die Runde unter Vorsitz von Bundeskanzler Helmut Kohl.
Allerdings ist nach wie vor ungeklärt, wie die Subventionen für die deutsche Steinkohle in den nächsten Jahren finanziert werden sollen. Nach den Worten von Kanzleramtsminister Friedrich Bohl strebt die Bundesregierung hierüber einen Kompromiß mit der SPD an.
Bohl sprach nach den rund vierstündigen Beratungen im Kanzleramt ebenso wie Wirtschaftsminister Günter Rexrodt und Umweltministerin Angela Merkel vor Journalisten von einem „tragfähigen und guten Ergebnis“. Als einen der Kernpunkte der Einigung hob er hervor, daß die Koalition sich zum Artikelgesetz zur Subventionierung der Stromerzeugung aus heimischer Steinkohle bekenne, das Bundeszuschüsse von 7,5 Milliarden Mark im nächsten Jahr und weitere sieben Milliarden Mark jährlich bis zum Jahr 2000 vorsieht. Allerdings will die Bundesregierung eine „vertretbare Absenkung“ der im Artikelgesetz festgelegten Subventionen von rund sieben Milliarden Mark bis zum Jahr 2000 „zur Diskussion stellen“. Rexrodt verwies gestern darauf, daß es auch Kräfte in der SPD gebe, die mit einem schnelleren Subventionsabbau sympathisierten. Hingegen bekräftigte SPD-Chef Rudolf Scharping nach einer Fraktionssitzung seiner Partei, daß das Energiekonsensgespräch am Donnerstag sehr kurz ausfallen würde, wenn die Bundesregierung an der Kohlesubvention bis zum Jahr 2000 rütteln wolle.
Die Spitzen von CDU/CSU und FDP beschlossen ferner, den Kohleförderländern Nordrhein-Westfalen und Saarland bei der Kokskohlenbeihilfe entgegenzukommen. Der Bund bietet nach den Worten Bohls jetzt einen Verteilungsschlüssel von 60 Prozent Bundesanteil zu 40 Prozent Länderanteilen an. Ursprünglich hatte Bundesfinanzminister Theo Waigel geplant, den 1994 noch bei zwei Dritteln liegenden Bundesanteil im Haushalt 1995 auf 50 Prozent abzusenken. Rexrodt kündigte an, er werde auf dieser Grundlage neue Gespräche mit den Ländern führen.
Wie die durch den Wegfall des vom Verfassungsgericht verworfenen Kohlepfennigs entstandene Deckungslücke von 7,5 Milliarden Mark im Etat 1996 finanziert werden soll, ist weiterhin weitgehend unklar.
Während der mehrstündigen Koalitionsrunde müssen Kohl, Waigel und CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble ihrem Zorn mehrmals freien Lauf gelassen haben. Teilnehmer zitierten anschließend den Kanzler mit den Worten, daß sich die Koalition mehrere Veranstaltungen dieser Art wohl nicht leisten könne. Deutlichen Unmut zeigte auch Theo Waigel. Er soll von jetzt notwendig gewordenen „brutalen Einsparungen“ im Haushalt gesprochen haben. Schäuble habe getobt. Seiten 4 und 10
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