: Symbolischer Schauplatz des Kulturkampfes
■ Das renommierte Haus der Kulturen der Welt ist in seiner Existenz gefährdet
Noch zehn Tage Bedenkzeit hat sich die Geschäftsleitung des Hauses der Kulturen der Welt (HKW) ausgebeten, um neue Finanzierungsmöglichkeiten für das Jahresprogramm 1995 zu finden. Über zwei Millionen Mark fehlen der Einrichtung, deren Zahlungsfähigkeit nur noch bis Ende Juni gesichert ist. „Wenn sich nicht ganz schnell Sponsoren finden, werden wir das für den Sommer geplante Australienprogramm streichen müssen“, sagte der zuständige Programmdirektor Klaus Vetter auf der gestrigen Pressekonferenz des HKW. Die Verträge mit Künstlern müßten annulliert, die schon gedruckten Kataloge eingestampft werden.
„Wir sind zum symbolischen Schauplatz im Ringen um die Kulturförderung zwischen Bonn und Berlin geworden“, konstatierte die Generalsekretärin des Hauses, Anke Wiegand-Kanzaki. Für die „wichtigste Institution des internationalen Kulturaustausches in der Bundesrepublik“ hat der Berliner Senat die Zuständigkeit für das HKW im Juni 1993 zu einem Drittel an Bonn abgegeben. Seitdem schrumpft der Etat.
Die Berliner Zuschüsse gehen inzwischen laut Wiegand-Kanzaki gegen Null, vom Auswärtigen Amt wurden die Mittel 1994 um 2,5 Millionen Mark auf 3,3 Millionen Mark gekürzt. Der „Poker“ um den Erhalt der kulturellen Institution hat für Anke Wiegand-Kanzaki noch eine weiterführende Dimension: „Hier geht es um die Hauptstadtplanung insgesamt.“ Fraglich sei, ob der Bund an einem Fortbestehen des HKW wirkliches Interesse habe.
Mit dem Argument, das Haus arbeite unwirtschaftlich, versucht der Senat sein mangelndes Engagement auszubügeln. „Der Kultursenator hat uns empfohlen, mehr Phantasie bei den Kürzungen im Personalbereich zu entwickeln“, empört sich die Generalsekretärin, die keinen ihrer 42 Mitarbeiter auf die Straße setzen möchte. Auch für Pressereferent Harald Jähner ist Stellenabbau oder die Umschichtung von Projektgeldern für die Angestellten keine Lösung. Und von Unwirtschaftlichkeit könne nicht die Rede sein: „Trotz der permanenten Kürzungen bei den Programmitteln konnten wir aufgrund der hohen Besucherzahlen 1994 eigene Einnahmen in Höhe von vier Millionen Mark erzielen“, bilanziert Jähner.
Es ist nicht nur die Gefahr einer Konkurssituation, die im HKW für Verunsicherung sorgt. Es geht auch um die gute Reputation des Hauses. „Wenn wir das Australienprogramm jetzt absagen“, gibt Programmleiter Bernd Scherer zu bedenken, „sind nicht nur alle finanziellen und geistigen Investitionen in den Sand gesetzt. Wir werden an Glaubwürdigkeit verlieren und langfristig keine guten Leute mehr bekommen.“ Simone Miller
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