: Die Kultfigur der Ökotouristen
■ Engagiert, ungeduldig, extrem wettbewerbsorientiert und immer der Sache verpflichtet: Dr. Wolf Michael Iwand (Umweltbeauftragter der TUI) – die schönste Erfindung des Großkonzerns seit der Pauschalreise
Wo die Buckelwale singen im ICC, da ist die TUI in Sachen Umwelt während der Internationalen Tourismusbörse unterwegs. Während die Gesänge langsam verklingen, tritt Michael Iwand, der Umweltbeauftragte der TUI, vor sein Publikum im übervollen Saal. Das Licht wird gedimmt, und der „Mann für den letzten Dreck“ (TUI-Werbung) präsentiert sein Sanierungsprogramm. Aufrecht, gespannt und mit eindringlicher Stimme zieht er Bilanz von vier Jahren TUI-Umweltengagement. „Am Anfang war der Druck der Ökokritiker“, sagt Iwand. Jetzt kommen die Erfolge: Iwand spricht von der Reduzierung der Umweltbelastungen, von dem Dialog mit den Umweltorganisationen, vom geklärten Wasser und dem recycelten Papier, von der Vernetzung der Netzwerke. Erfolge? „Wenn ich das Stichwort Erfolgskonzept höre, werde ich ärgerlich. Ich hasse das, weil Umweltarbeit keine Erfolgsarbeit ist“, wiegelt Iwand ab. Immerhin findet er es „ein beeindruckendes Ergebnis, daß das Auditorium beeindruckt ist, daß die Leute meiner Argumentation gefolgt sind“. Kein Wunder: Iwand hat Charisma. Er ist ein Erfolgsmensch. Von 1963 bis 1987 segelte er stets auf Weltmeisterschaftsniveau in der deutschen Nationalmannschaft der Hochseesegler. Er bezeichnet sich als extrem wettbewerbsorientiert. „Wir haben immer auf Weltmeisterschaftsereignisse hingearbeitet.“ Nach dem Motto: „Lieber tot als Bronze.“ Der ambitionierte Leistungssportler, Sozialwissenschaftler und „Spezialist für strategische Unternehmensentwicklung“ verortet sich auch als Öko- Manager unter dem Zeichen des unbedingten Erfolgs: „Engagement, Ungeduld, Workaholic aus Pflichtgefühl, immer der Sache verpflichtet, „so charakterisiert er sich selbst. 1989 entdeckte er die Ökologie. Irgendwie schlummerte sie schon lange in ihm. „Ich habe mitgekriegt, daß im Ökothema Musik drinsteckt, und ich begann mich zu profilieren, weil ich es als strategisches Geschäftsfeld für mich entdeckte.“ 1990 war es schon soweit: Über einen Auftrag der TUI, als freier Berater das Umweltthema auf seine Effizienz abzuklopfen, kommt er selbst ins TUI-Management. Er wird Umweltbeauftragter. Auf der Direktionsebene, eine Etage unterm Vorstand.
Seither schafft er Fakten. Zwölf bis vierzehn Stunden täglich. Will für die TUI gewinnen und schätzt an Greenpeace die „Herzlichkeit und Menschlichkeit“. Aber die Erfolglosigkeit der „erdigen, handgestrickten, an der Basis operierenden Umweltbewegungen“ schreckt ihn ab, sein Feld sind die Chefetagen. Die vertrauen ihm. Denn er will nicht den ökologischen Umbau, „wir wollen nicht das Mittelmeer sanieren, wir haben nicht versprochen, den Regenwald zu retten“, er will lediglich ein „Stück umweltschonendes Produkt“. Umweltpolitik läßt sich nur unternehmensadäquat betreiben, meint Iwand. Alles andere sei irrational. Mag es auch anderen irrational erscheinen, daß Iwand als ernstzunehmender Umweltreparateur durchgeht, angesichts der 66 Prozent Flugreisen der TUI, die unsere Atmosphäre mit zerstören, die auch die Pole zum Schmelzen bringen und all die schönen Urlaubsstrände der TUI unter Wasser setzen könnten. Dafür zieht er sich den Schuh nicht an. Er mag nicht für das Gesamtprogramm zur Verantwortung gezogen werden. „Wir werben schließlich auch für Bahnreisen“, kontert er.
Ohnehin erfüllt der Tourismus für ihn Funktionen, die gerade Fernreisen rechtfertigen. Tourismus sei die Hoffnungsbranche der Zukunft, propagiert er, für die Dritte, die Vierte und die Umwelt. Bei immer mehr Armut sei der Tourismus der wichtigste wirtschaftliche Faktor für viele arme Länder. „Stellen Sie sich doch einmal vor, wenn wir da nicht mehr hinreisen würden, wenn die plötzlich alle nach Europa, nach Deutschland kommen würden. Das Mittelmeer ist nicht so breit, daß die nicht alle aus Afrika nach Europa kommen könnten. Was sind wir von der Weltbevölkerung? Ein Fliegendreck!“ Und dieser Fliegendreck will fliegen, fliegen... Über Einschränkungen, Expansionsstopp oder sogar Rückbau nachzudenken, wie es Ökologen fordern, weigert sich Iwand schlicht. „Verzicht ist für mich die untauglichste Vokabel, die es gibt“, ereifert er sich. „Sie ist einfach nicht intelligent. Und vor allem: sie paßt nicht in unsere Konsumgesellschaft und zu unserem Menschenbild.“ Wie immer sein Menschenbild auch sei, er jedenfalls setzt vor allem auf die Technik. Moderne Flugzeuge beispielsweise, denn der Zweck des Unternehmens ist und bleibt der Ertrag. Nichts sonst. Und er ködert schon mal mit der schmeichelhaften Idee, daß sich die TUI von einem Tourismusunternehmen mit einem Umweltbeauftragten zu einem Umweltunternehmen mit einem Tourismusbeauftragten wandeln könnte – „wenn wir damit bessere Erträge erzielen“. Bis dahin sucht er die Nähe der Ökobewegung, lernt von ihr, bietet sich jedem an. „Ich bin auf Ihrer Seite“, solidarisiert er sich. Vertrauensbildende Maßnahmen, die dem Leistungsmanager Glaubwürdigkeit einbringen. Iwand buhlt nicht, Iwand überzeugt. Er strahlt Kompetenz aus und vor allen Dingen: er kann gut verkaufen. Think positive! Längst haben sich die Tourismuskritiker in seinem Windschatten eingerichtet. Und Iwand ist eitel genug zu glauben, daß er auch dies geleistet habe. Zumindest eines hat er mit Sicherheit geleistet: er hat das ökologisch geläuterte Produkt zum Maßstab ökologischen Denkens im Tourismus erhoben. Mit Iwand geht es hemmungslos positiv vorwärts zu neuen Ufern der touristischen Erschließung.
Noch einmal singen die Buckelwale... Anhaltender Applaus für den Mann auf dem Podium. Dankesworte aus den Reihen der tourismuskritischen „Gruppe Neues Reisen“. „Ich bin begeistert über diesen Vortrag“, meint Anita Orlovios, „ich bin begeistert, daß ein Tourismusunternehmen heute das macht, was wir früher gefordert haben. Wir wünschten, sie wären auf unserer Seite.“ Doch Iwand ist authentisch, ganz er selbst. Christel Burghoff/Edith Kresta
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