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Ganze Kerle gegen Studenten

■ "Mule" siegten im Wehrschloß gegen "Knochen-Girl"

„Mule“ ist die wahrscheinlich amerikanischste Band der Welt. Ihr angepunkter Blues-Rock klingt nach Hotels mit kaputter Neonbeleuchtung, Männern in schnutzigen Unterhemden, durchgehend geöffneten Supermärkten, halbherzig abgeschminkten Stripperinnen, Billigbierdosen, überfüllten Aschenbechern und Gebrauchtwagen mit defektem Auspuff. Kurzum: Es ist der Soundtrack für alle, die gerade aus dem amerikanischen Traum erwacht sind und ihm nur noch mit einer Whisky-Flasche in der einen und einem Musikinstrument in der anderen Hand hinterherpöbeln können.

Sowas scheppert auf „Mules“ beiden bewundernswerten CDs natürlich fast schon wie live, und so boten sie bei ihrem Wehrschloß-Konzert am Samstag gottlob keinerlei Überraschungen, denn die hätten nur negativ ausfallen können. Das Trio demonstrierte ein- und ausdrucksvoll, daß man seine Instrumente erstmal beherrschen muß, und das tun „Mule“ fraglos, um zu wissen, wann man das vergessen und sich gehen lassen kann, ohne den Saal leerzuspielen.

Auch ganze Kerle wie die Jungs aus Detroit dürfen ruhig mal den Schwanz einziehen und quengeln, wenn sie daraus so großartig kraftvolle, wehklagende Nummern machen, wie es zur Zeit nur ihnen gelingt. Wenn Sänger und Gitarrist P. W. Long flucht, glaubt man ihm, daß er wirklich was zu fluchen hat. Und es ist jedesmal ein kleines Wunder, daß seine rauhe Stimme auch noch für den nächsten Song reicht.

Bei soviel ebenso altmodischer wie frischer Musik aus Amerika wirkte die deutsche Vorgruppe „Knochen-Girl“ reichlich deplaziert. Die Berliner fuhren ihren progressiven Punk auf der selbstverliebt-komischen Studentenschiene, und das hörte sich mit zu gewagten Tempiwechseln in der Theorie weitaus besser an als in der Praxis. Ein affiger Frontmann mit alberner Augenbinde und noch alberneren Sprüchen ließ einen selbst die besseren Songs hassen, und die Keyboarderin konnte mit ihren originellen Sounds nur selten gegen seine bretternde Gitarre anklotzen. Wenn sie es allerdings doch schaffte, gelang der Sprung aus dem gequälten Mittelmaß. Einen einsamen Höhepunkt setzte sie, als sie ein Lied singen durfte, was weitaus mehr Persönlichkeit hatte als das Geblöke des eigentlichen Sängers.

An die hemdsärnelige Energie von „Mule“ reichte das natürlich nicht heran; die „Aufhören“-Rufer übertönten bisweilen die dünn gesäten Klatscher. Die Schuld lag bei den wirrköpfigen Veranstaltern, die meinten, diese beiden Bands würden zusammenpassen.

Andreas Neuenkirchen

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