piwik no script img

Sarin – ein tödlicher Kampfstoff

■ Das von Nazi-Forschern 1938 entwickelte Nervengas ist 20mal so giftig wie Blausäure und relativ leicht herstellbar

Berlin (taz) – Das Nervengas Sarin ist einer der giftigsten Kampfstoffe, die der Mensch je hergestellt hat. Schon die Einnahme von 0,01 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht reicht, um einen Menschen zu töten. Sarin ist damit 20mal so giftig wie Blausäure.

Die gelb-braune, geruchlose Flüssigkeit ist ein „flüchtiger“ Stoff, das heißt, er verteilt sich schnell als farbloses Gas in der Luft. Selbst das Einatmen kleinster Mengen führt in Minuten zum Zusammenbruch des vegetativen Nervensystems. Denn Sarin blockiert ein bei der Übermittlung von Nervenimpulsen lebenswichtiges Enzym. Die Muskelzellen werden von Nervenimpulsen „überschwemmt“, die vergiftete Person bekommt schwere Krämpfe. Es kommt zu Atemlähmung und Herzstillstand. Ein Gegenmittel ist Atropin, das die Vergiftungserscheinungen aber nur teilweise behebt.

Erstmals hergestellt wurde das Gift als chemischer Kampfstoff 1938 in deutschen Labors. Ende des Zweiten Weltkriegs gingen zwei Sarin-Anlagen in Deutschland in Produktion. Das Kampfgas wurde von der Wehrmacht aber nie eingesetzt. „Nicht zuletzt“, so der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller, „weil die Alliierten bei einem Giftgaseinsatz Hitlers mit massiver Vergeltung gedroht hatten.“

Nach Kriegsende fand man 9.000 Tonnen Sarin-Waffen, die in den Produktionsanlagen in Falkenhagen und Dyhenfurt hergestellt worden waren. Heute gilt es als wahrscheinlich, daß auch kleinere Staaten im Besitz von Sarin-Waffen sind.

Laut Dieter Meissner von der Naturwissenschaftlerinitiative „Verantwortung für den Frieden“ ist Sarin, wie herkömmliche Pestizide eine organische Phosphorverbindung, relativ einfach herstellbar. „Es wäre denkbar, daß sich ein Feierabendchemiker in seinem Keller an die Herstellung von Sarin macht“, sagt er. Die Gefahr, sich dabei selbst zu vergiften, ist allerdings ziemlich hoch. Deshalb glaubt Thomas Zilker von der Toxologischen Abteilung der „Münchener Klinik rechts der Isar“ eher nicht, daß eine Sarin- Synthese für Hobbychemiker zu bewerkstelligen ist.

Nach dem Anschlag in Japan wurden jetzt auch deutsche Sicherheitsbehörden alarmiert. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden warnt aber vor „Dramatisierung“. Tanja Hamilton

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen