: Kleine gedruckte Freunde Von Martin Sonneborn
Bücher. Wer kennt sie nicht, unsere kleinen gedruckten Freunde! Was könnte man ihnen vorwerfen, außer, daß in vielen, die heutzutage neu erscheinen, grober Schund steht. Nun, vielleicht noch dieses, um mit dem Nachwuchsdialektiker B. Teschke zu sprechen: Bücher ermöglichen das Vergessen des Erinnerten; schließlich ist es ja festgehalten, abrufbar. Wie dem auch sei, viele haben Bücher geschrieben, und es waren nicht immer die Schlechtesten: Schiller, Goethe, Karl May. Thomas Mann hat geschrieben, Stefan George! Gertrude Stein auch. Roberta Stein nicht. Obwohl sie uns immer als Roberta Stein, Schriftstellerin vorgestellt wurde, wenn sie im Vorabendprogramm ins Schwärmen geriet ob der geradezu großartigen Saugfähigkeit ihrer ob- Tampons. Trotz energischer Nachforschung war im „Verzeichnis lieferbarer Bücher“ von Roberta Stein jedenfalls kein Werk zu entdecken.
Lieferbare Bücher erwirbt man in gut sortierten Buchhandlungen oder bei Obi. In Ausnahmefällen auch anderswo. Taschenbücher aus dem geschätzten Haffmanns- Verlag etwa gibt's hochgünstig bei Hertie an der Frankfurter Zeil; auf dem Grabbeltisch am Hintereingang. Wo übrigens auch gerne Björn Engholms Vom öffentlichen Gebrauch der Vernunft für 2,99 Mark vertrieben wird, hehe.
Als gute Adresse für die besten Bücher der Welt gilt in Fachkreisen des weiteren der „Kaufhof“ in Berlin-Marzahn. Im August 1994 war hier „In Schwimmen-Zwei- Vögel“ von Flann O'Brien für 3 Mark zu haben! Allerdings hat die Kassiererin so merkwürdig nach uns geschaut, als wir für schlappe 69 Mark die Restauflage aufkauften. Wer keine Bücher kauft, klaut sie. Das macht Herr Krähe allerdings nur in München und nur Bücher von Stefan George. Von dem behauptet er, Herr Krähe nämlich, seit jeher, er sei mit einem Moment der Angst eigentlich noch überbezahlt. Trotzdem darf man über das Entwenden von Büchern denken, wie man will.
Keine Bedenken hatte man, dem Beispiel zu folgen, das seinerzeit der Magister Hanf während eines Berlin-Besuches auf dem Flohmarkt am Arkonaer Platz gegeben hat. „Das Kapital“ war im Angebot, gebundene Ausgabe, zweite Hand, scheckheftgepflegt, Preis: 1 Mark. Sehen und Bezahlen war eins: „Dafür kann man's nicht selber schreiben!“ Wie wahr.
Etwas teurer wiederum sind Bücher im walisischen Hay-on-Wye, welches aber dafür wohl auch der einzige Ort in englischsprachigen Landen sein dürfte, in dem es mehr Antiquariate gibt als Pubs. Der Nachwuchsdialektiker Teschke und ich stöberten erst in den Antiquariaten, später im Pub. Zu vorgerückter Stunde erörterten wir dann die brillante Möglichkeit eines Bücher-Transfers von Hay-on- Wye in den achten Wiener Gemeindebezirk. Der Wirt des dort angesiedelten Café Benno ist ein großer Bücherfreund und bietet ein Seidel (sprich: Bier) für jedes Buch, das man ihm bringt. Wir beschlossen, mit einem Koffer voll billiger englischer Schinken sowie preisreduzierter Engholms nach Wien zu reisen. Und das wollte dann auch den Nachwuchsdialektiker wieder versöhnen bzw. ihm schmecken, daß man das einmal Erinnerte, aber in der Niederschrift Abgelegte sozusagen nun auf diesem Wege wieder verinnerlichen würde.
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