: Aus der Blödwelt
■ Eckhard und Regina Henscheid gedenken des Absahners Eduard Zwick
Während gewöhnlich die Kleinen die Großen abbiographieren, um in deren Windschatten groß rauszukommen, dreht Eckhard Henscheid den Spieß um und biographiert mediokre Figuren: einst Kohl, jetzt Zwick, den „Bäderkönig“ aus dem niederbayrischen Bad Füssing mit den 70 Millionen Steuerschulden, der ins Luganer Exil getürmt ist, unter Hintanlassung seines Sohnes Johannes „Johannesbad“ Zwick in Landshuter U-Haft.
Ein Buch, noch dazu ein ganzes Buch über Zwick? Allerdings, ist doch Dr. Eduard Zwick, wie Eckhard Henscheid im Duo mit Ehefrau und überraschender Co-Biographin Regina erklärt, „ein Mount Everest nachkriegsdeutscher Erfolgs- und Aufstiegsgeschichte und insbesondere Bädertüchtigkeit“ und verkörpert nicht einfach „eine Folklore- und Schießbudenfigur aus Niederbayern/Rumänien“, sondern auch „aus der Medizinalwelt der Thermenreinlichkeit ebenso wie aus der Demimonde der gewitterten großen Cash-Occasion und der unverbrüchlichen Absahngesinnung“.
Das ist komisch gesagt und ernst gemeint. Zwicks Zweck war Geld machen und mit den Mächtigen kungeln; sein Leben, „hie Thermenquark – da sozialer Aufstiegsquack“, erscheint als Symbol und Symptom der Zustände „im Freibad Bayern“ und ist beispielhaft „innerhalb des allg. Gerumpels der gesamtheitlich christlichsozialdemokratischen Generalscheiße“. Und exemplarisch für unsere Zeit überhaupt – wobei die Wahrheit auch in der Dichtung liegt. In vielen echten, insbesondere das Thermalbad-, Finanz- und Kungelwesen betreffenden, und vielen erfundenen Einzelheiten wird Zwicks Existenz sichtbar gemacht, inkl. seine „übermäßig hochlodernden und schweinebratenmäßigen Sexualbrandungen und grauenvollen Geschlechtsüberbordungen“.
Gruppensaurausch mit Schweinerüsseln
Ein Chaos aus Namen, Daten, Halbtatsachen, Viertelzitaten, Erfindungen und Abschweifungen tut sich auf, um die „dem großen christlichen und thermalbadhumanistischen Leitbild“ Zwick angedichtete moralische wie geistige Riesengröße klammheimlich ad absurdum zu führen, und noch die Anspielungen auf Kafka („sein großer Prager Kombattant“) verdeutlichen im Umkehrschluß das Nichtige, Alltägliche und Geheimnislose in Zwick. Zutage tritt ein geldfixiertes, banales, leeres, geistfernes, noch in seinen Festivitäten trostloses und also für unsere Blödwelt typisches Dasein, wobei die Biographen durch komische Sicht das Elend ins Wonnige kippen; aber ähnlich wie in der Kohl-Biographie, wo nach und nach der Unmut des Autors hervorbrach, lassen sie sich's gelegentlich spaßeshalber auch verdrießen angesichts eines Zwick, der „in Südfrankreich, beim Gruppensaurausch mit großen Schweinerüsseln den Champagner aus den Kelchen saugend“, die Zeit zubrachte.
Detailrealismus und Erfindung durchdringen sich. Wiederholung und Variation sind weitere Gestaltungsprinzipien. Alliterationen auf den werten Namen des Helden durchziehen das Werk, von Zwickel, Zwurgl, Zwist und Zwieback bis zu „Baron Zwirn“, „Fürst Zwuck“ und „Zwicks Eidam“ namens „Zwock oder Zwück“; immer andere „Hohe Ahnen“ Zwicks werden ins Spiel gebracht, wie's beliebt; stets findet sich auch eine Gelegenheit, auf Zwicks Herkunft aus dem Banat, seinen Sumatra-Aufenthalt oder die 56 Grad des Thermalbadwasserbads hinzudeuten; „so strikt wie stracks“ aber „forderte und heischte“ dieses Leben, korrigiere: dieses Werk „mitunter und sogar überaus munter“ auch ein „siebenfach dauerhaftes Triumphirat oder jedenfalls Triumvivat“ aus Wortspielen, Paronomasien, Assonanzen und, hier versagt das Rhetorikhandbuch den Plural, dem Hendiadyoin und gelegentlich auch Katachresen – „aber das steht auf einem anderen Bier“. – Wenn es nichts zu sagen gibt, dann aber so schön wie möglich. Und so lang wie möglich: Manche Gigantensätze winden sich über mehr als eine Seite und brechen im Notfall einfach ab. Auch das hat Methode.
Öffentlichkeitsdiskurs bzw. Arschgerede
Denn der angestrengte Stil politischer Publizistik und der abstrakte wissenschaftliche Duktus werden, mit trockenem Lexikondeutsch, verschmockter Modejournalschreibe und den bemühten Schreibweisen eifernder Dilettanten vermengt, getreu kopiert und lächerlich gemacht – ganz „im Sinne von Habermasens Postulat des tendenziell immerwährenden Öffentlichkeitsdiskurses und allgemeinen Arschgeredes“.
Seriosität als Witz – neben Aristoteles, Kant, Hegel, Goethe werden die aus Henscheids ×uvre einschlägig bekannten H. Duschke, A. Streibl, Dr. Piana und Willi Wüllenweber sowie „Prof. Habimaus“, „Abt Wichser“ und „A. Arsch“ fleißig zitiert (loc. cit., a.a.O.).
Die Mitverfasserschaft Regina Henscheids an diesem Werk ist überraschend, aber dann auch wieder nicht ganz überraschend: Immerhin hat sie bereits 1988 als „Hella Dore-Tietjen“ die Wut-, Trauer- und Erinnerungsarbeitsparodie „... und sie verpfuschten mir mein Leben“ geschrieben. Gern wüßte man, wie im Fall Zwick die Kooperation aussah, denn weiteste Strecken dieses Buches wirken wie echtester Henscheid, Marke Eckhard. Man darf jedenfalls auf die geplante dritte Biographie sich spannen. Hoffentlich muß man, da die Kohl-Biographie schon 1985 erschien, nun nicht erneut zehn Jahre warten. Peter Köhler
Eckhard und Regina Henscheid: „Die Zwicks. Fronvögte, Zwingherrn und Vasallen. Die Geschichte einer bedeutenden Familie“. Haffmanns Verlag, 215 Seiten, geb., 36 DM
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