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Das Zauberwort Effizienz

Immer mehr Unternehmen entdecken, daß sich Energiesparen in Gebäuden lohnt / Private Hausbesitzer zögern, Geldbeutel und Klima zu schonen  ■ Von Felix Berth

Berlin (taz) – Anfangs, so gibt Peter Schulz heute zu, hat er es selbst nicht geglaubt. Da bekam der technische Direktor des Berliner Radisson Plaza Hotels einen Plan auf den Schreibtisch, wie der Energieverbrauch des Nobelschuppens am Alexanderplatz um über 70 Prozent reduziert werden könnte, ohne daß die Gäste auf warmes Wasser oder die Zimmerheizung verzichten müßten. Der Plan stammte von den Ingenieuren der Essener Firma Thermoplan, und er war allen im Hotel suspekt: „Fast jeder hat am Anfang gesagt: ,Das sind Scharlatane‘“, erzählt Peter Schulz.

Die Dimensionen, die die Einspartechniker anpeilten, waren auch schwer zu glauben. Die Ingenieure behaupteten, die Höchstleistung könnte von 8,6 Megawatt auf 2,2 Megawatt gesenkt werden – und das nicht mal durch bessere Wärmedämmung, sondern nur durch kluge, neue Technik im Heizungskeller des Radisson Plaza. Dadurch würde das Hotel jedes Jahr etwa eineinhalb Millionen Mark sparen. Eineinhalb Millionen, die bis dahin in die Kassen des Berliner Energieversorgers Bewag geflossen waren.

Daß die Manager den Ingenieuren letztlich geglaubt haben, lag sicher auch am juristischen Kern des Angebots: Die Firma Technoplan garantierte 40 Prozent niedrigere Energiekosten – und wenn sie ihr Versprechen nicht würde halten können, würde Technoplan die Kostendifferenz übernehmen. So stand es im Vertrag.

Also bekamen die Ingenieure den Auftrag. Sie berechneten mit großem Computeraufwand ein optimales Heizsystem für das Gebäude und rüsteten die Anlage im Hotelkeller um. Die Fernwärme, bisher einzige Energiequelle für Warmwasser und Heizung, wurde zurückgefahren und ergänzt durch Gaskessel mit hohem Wirkungsgrad. Das Konzept ging auf: Das Radisson Plaza zahlt statt früher 3,6 Millionen nur noch 1,9 Millionen pro Jahr für Heizung und warmes Wasser.

Die technischen Einzelheiten sind dabei wohl weniger interessant als der neue Wirtschaftszweig, der sich allmählich in der Bundesrepublik etabliert: professionelle Energiesparer, die ihr Wissen verkaufen. Das Prinzip ist in dieser neuen Dienstleistungsbranche immer gleich: gleicher Standard, bessere Lösung. Konkret formuliert: Der Energieverbrauch eines Gebäudes oder einer Industrieanlage wird mit neuer Technik gesenkt, und was dafür bezahlt wird, ist hernach durch geringere Betriebskosten schnell wieder eingespart. Beim Radisson Plaza in Berlin zum Beispiel amortisierte sich die Investition schon nach eineinhalb Jahren. Das Charmante an diesen sogenannten Contracting-Verträgen ist, daß alle Seiten davon profitieren: Das Ingenieurbüro verkauft sein Wissen für gutes Geld, der Betrieb spart Millionen bei den Stromrechnungen, und das Klima wird geschützt.

Lediglich die Energieversorger müssen sich mit sinkenden Umsätzen abfinden – was manche Skepsis bei Stadtwerken oder Stromkonzernen erklärt. Doch daneben gibt es sogar den gegenläufigen Trend: Manche Energieversorger entdecken, daß auch sie in diesem Markt Geld verdienen und den privaten Unternehmen Konkurrenz machen können.

Die Stadtwerke Dessau zum Beispiel überlegen zur Zeit, ob sie bei einer alten Hochhaussiedlung die Wärmedämmung finanzieren sollen. Per Vertrag würde geregelt, daß der sinkende Energieverbrauch auch tatsächlich den Stadtwerken zugute kommt und nicht den Mietern, die weniger Heizenergie benötigen. Das Öko-Institut hat in einem Gutachten für die Stadtwerke Dessau gerade vorgerechnet, daß dies eine lohnende Investition wäre.

Der Klimaschutz jedenfalls wird in den nächsten Jahren vor allem durch solche Effizienzstrategien vorwärtskommen – egal ob die Konzepte von privaten Ingenieurbüros oder von Energieversorgern stammen. So schätzt Reinhard Loske vom Wuppertal-Institut, daß sich in der Bundesrepublik allein durch solche Effizienzmaßnahmen 20 Prozent Energie und damit CO2 einsparen ließe. „Vor allem im Raumwärmebereich ist eine solche Reduktion kein Problem“, sagt Loske.

Die technischen Potentiale liegen theoretisch noch viel höher – doch die schönsten Möglichkeiten helfen nicht, wenn das Ganze an juristischen Schwierigkeiten scheitert. Und die gibt es zwar selten bei kommerziellen Unternehmen wie dem Radisson Plaza Hotel, dafür um so mehr bei Häusern und Wohnungen im Privatbesitz: „Bei Mietwohnungen ist das Problem, daß Eigentümer, die in Wärmedämmung investieren, nicht in den Genuß der Effekte kommen“, erklärt Johannes Witt vom Öko-Institut. Also müssen komplizierte Verträge geschlossen werden – wovor viele zurückschrecken. Die Konsequenz zeigt sich in der Statistik, die der US-Wissenschaftler Florentin Krause erstellt hat: Wenn ein Haus vom Eigentümer bewohnt wird, steht darin häufig eine effiziente Heizungsanlage. Wenn das gleiche Haus vermietet wird, sinkt die Bereitschaft des Vermieters rapide, in Effizienzsteigerungen zu investieren. Noch schlimmer wird's, sobald eine Anlage aus einzelnen Eigentumswohnungen besteht. Dann muß auch bei extrem lohnenden Energiesparmaßnahmen der Konsens aller Eigentümer hergestellt werden, worüber Eigentümerversammlungen tagelang diskutieren können, ohne sich zu einigen.

Privatleute sind häufig ziemlich kurzsichtig, wenn es um Investitionen ins Energiesparen geht. Während Industriebetriebe schon zufrieden sind, wenn sich eine Investition in drei oder vier Jahren rentiert, reicht das fast allen privaten Haushalten nicht aus. „Eine Modellrechnung hat ergeben: Nur bei einem halben Jahr wären die meisten Verbraucher dazu bereit“, sagt Holger Krawinkel von der Energiestiftung Schleswig- Holstein. Solche Geschwindigkeiten sind jedoch kaum zu erreichen, und Florentin Krause zieht ein ernüchterndes Fazit: „Verbraucher achten auf den Kaufpreis eines Produkts, aber nicht auf die Energiekosten, die es auslöst.“

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