: Ost-Eisenbahnen komplett im Angebot
■ Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Waggonbau AG hofft, daß der Privatisierungsvertrag mit dem US-Investor "Advent" im Mai unterzeichnet wird / 44 Millionen Mark Defizit in der Jahresbilanz 1994
Berlin (dpa/rtr) – Die Zahlen der Bilanz klingen deprimierend, aber davon haben sich die Deutschen Waggonbauer noch nie abschrecken lassen. Ihre Produkte gehörten zu den wenigen aus der untergegangenen DDR, die überhaupt eine Chance auf dem Weltmarkt zu haben schienen. Noch steht die Privatisierung des Unternehmens aus, DWA-Chef Peter Witt stellte gestern trotzdem weitreichende Zukunftspläne vor.
Er will es mit den ganz Großen der Branche aufnehmen und ab 1996 „als Hersteller kompletter Züge auftreten“. Dazu gehören Motoren, Antriebe und Leitungselektronik, Techniken also, die auch in sozialistischen Zeiten nicht unmittelbar in den Waggonbauwerken beheimatet waren. Nun sollen sie in der DWA entwicklet werden, offenbar mit Hilfe von Siemens. Trotz steter Dementis hält sich hartnächkig immer noch das Gerücht, der Elektrokonzern, der selbst zu den großen Eisenbahnsystemanbietern gehört, wolle sich doch noch mit Kapital an der Deutschen Waggonbau beteiligen. Bislang sind lediglich Absprachen über eine technische Hilfe aus München mit der US-amerikanischen Fianzierungsgesellschaft „Advent“ getroffen worden, die das Unternehmen übernehmen, sanieren und später auch an der Börse plazieren will.
Heute erscheint dieser Schritt ziemlich utopisch. Die Waggonbauer haben noch immer keinen echten Erstaz für das brachliegende Rußlandgeschäft gefunden. Der (branchenferne) Investor Advent sei zur Zeit noch mit „umfassenden Einzeluntersuchungen“ beschäftigt, räumt Witt ein. Er hofft, daß der Kaufvertrag im Mai unterzeichnet wird. Sein Unternehmen hat im vergangenen Geschäftsjahr 1,027 Milliarden Mark umgesetzt, das ist ein ganzes Drittel weniger als noch 1993. Die Bilanz weist einen Verlust von 44 Millionen Mark aus. 500 Millionen Mark weniger sind eingenommen worden. Über die Kosten der immer noch nicht abgeschlossenen Umstrukturierung mochte sich Witt schon gar nicht äußern.
Ihn stören offenbar die Kosten mehr, die durch den Einkauf von Bauteilen anderer Firmen entstehen. Die Dienste der Zulieferer sollen nun wohl in das neue Kombinat zurückgeholt werden. Weil man in Zukunft mit dem Bau kompletter Eisenbahnzüge weniger auf solche „Zukäufe“ als bisher angewiesen sei, brauche man auch den Zusammenschluß der Bahnsystembereiche von Daimler-Benz und ABB nicht zu fürchten, der in der letzten Woche angekündigt worden ist. „Mit Freude“, sagte Witt, habe ihn dieser Versuch, die weltweit größte Eisenbahnbaugesellschaft zu schmieden, allerdings auch nicht erfüllt. nh
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen