: Pro Woche eine Scheinhinrichtung
■ Hamburger Polizeiskandal: Mitarbeiter im Führungsstab macht brisante Aussage vor dem Untersuchungsausschuß
Hamburg (taz) – Kaum jemand im Saal kannte ihn, kaum jemand erwartete Erhellendes von ihm. Doch was Rüdiger Bredthauer am Dienstag abend vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zum Hamburger Polizeiskandal aussagte, ist brisant. Er sei bereits am 10. Dezember 1993 darüber informiert worden, daß Beamte der Revierwache 11 am Hamburger Hauptbahnhof Scheinhinrichtungen an Schwarzafrikanern durchführen würden, gab der wissenschaftliche Mitarbeiter im Führungsstab der Hamburger Landespolizeidirektion zu Protokoll.
Holger Jänicke-Petersen, Konflikttrainer an der Landespolizeischule, habe ihn telefonisch über solche Vorfälle in Kenntnis gesetzt. Etwa „einmal pro Woche“, so zitierte Bredthauer seinen Gesprächspartner, wären Scheinhinrichtungen im Hamburger Freihafen inszeniert worden. Jänicke-Petersen habe auch die Namen von vier Polizeibeamten genannt, die als Täter in Frage kämen.
Er habe sofort seinen Vorgesetzten, Stabsleiter Manfred Dittrich, über diese „brisanten Hinweise, die zu einem nationalen Polizeiskandal“ führen könnten, informiert, erklärte Bredthauer weiter. Dieser habe „sehr betroffen“ reagiert und ihn gebeten, Kontakt zu den Beamten herzustellen. Das sei jedoch trotz mehrmaliger Versuche nicht gelungen. Auch habe man den stellvertretenden Leiter der Wache 11, mit den Verdächtigungen konfrontiert. Dieser habe die Vorwürfe jedoch als „nicht glaubwürdig“ zurückgewiesen.“
Heinz Krappen, der zweite Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß, konnte sich nur noch vage an diesen Vorgang erinnern. Der vor zwei Wochen nach Berichten über rassistische Übergriffe und Gewalttaten an der Wache 11 „aus gesundheitlichen Gründen“ zurückgetretene Landespolizeidirektor berichtete dem Ausschuß, Stabsleiter Dittrich habe ihm Ende Dezember 1993 lediglich „vertrauliche Informationen über Fehlverhalten“ auf der Wache am Hauptbahnhof gegeben. Konkrete Namen von beschuldigten Beamten habe er nie gehört. Alle seine Versuche, „Roß und Reiter“ in Erfahrung zu bringen, seien gescheitert, behauptete Krappen. Dies habe er im Januar 1994 dem später zurückgetretenen Innensenator Werner Hackmann mündlich vorgetragen. Bislang war lediglich bekannt, daß Krappen im April 1994 einen schriftlichen Vermerk über die Aussagen des Konflikttrainers Jänicke-Petersen erhalten hatte. Dieser kam von Manfred Bienert, dem Leiter der Landespolizeischule. Den Innensenator soll Krappen darüber nicht unterrichtet haben.
Bredthauers Telefonpartner Jänicke-Petersen, Mitglied bei den „Kritischen Polizisten“, machte am Dienstag vor dem Ausschuß von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Der Grund: Gegen ihn läuft seit fünf Tagen ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf: Verrat von Dienstgeheimnissen. Sven-Michael Veit
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