: Burundis Extremisten auf dem Vormarsch
■ Die Spannungen zwischen radikalen Hutu- und Tutsi-Gruppen eskalieren
Berlin (taz) – Ihre weiße Hautfarbe schützte sie nicht. Die drei Belgier, die am vergangenen Sonntag zwölf Kilometer außerhalb der burundischen Hauptstadt umgebracht wurden, hatten eine Reifenpanne, als Angreifer sie töteten. Und, beteuern die zuständigen Diplomaten von UNO bis zum Brüsseler Außenministerium, die Angreifer hätten es gar nicht auf sie als Ausländer abgesehen; ihr Tod zusammen mit dem mehrerer Einheimischer sei, so UN-Sonderbeauftragter Ahmedou Ould Abdallah, „Zufall“.
Für einen Zufall hatte aber dieser Anschlag auf wehrlose Zivilisten, den die UNO einer Hutu-Miliz zuschreibt und dem insgesamt 17 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen, außergewöhnlich heftige Konsequenzen. Jeden Morgen werden mittlerweile die Toten und Verletzten der Nacht gezählt. In einem der letzten „gemischten“ Stadtviertel Bujumburas, Bwiza, kommt es immer wieder zu Übergriffen zwischen bewaffneten Hutus und bewaffneten Tutsi, Zivilisten beider Ethnien fliehen aus dem Viertel dorthin, wo sie sich sicherer fühlen können – also in solche Viertel, die bereits „gesäubert“ und nur noch von einer der beiden Volksgruppen bewohnt sind. Bujumbura ähnelt immer mehr einem Flickenteppich von Hutu- und Tutsi-Vierteln, zwischen denen die Zirkulation lebensgefährlich ist. Mit der Angst vor Anschlägen mehr noch als mit den Anschlägen selbst wird das Leben in Burundi lahmgelegt.
Die Spannungen steigen schon seit Wochen: Am 11. März wurde der zu den Hutu gehörende Energieminister Ernest Kabushemeye erschossen. Am 15. März starb bei einem Anschlag der zu den Tutsi gehörende Ex-Bürgermeister von Bujumbura, Oberst Lucien Sakubu. Am 18. März wurde Kabushemeye beigesetzt, und bei den Trauerfeiern wie schon am Tag zuvor wurden mehrere Menschen bei Granatenanschlägen getötet oder verletzt.
Das Konfliktschema ist bekannt. Burundi, wie Ruanda, besteht zu 85 Prozent aus Hutu und zu 15 Prozent aus Tutsi. Bis zu den ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes im Juni 1993 herrschte über Burundi eine Tutsi- Militärelite, die Hutu-Aufstände blutig niederschlug. Dann übernahm der freigewählte Hutu Melchior Ndadaye das Amt des Präsidenten – eine burundische Revolution, die aber auch solchen Hutu, die nunmehr die Tutsi für immer kleinhalten wollten, Oberwasser gab. In einem Tutsi-Putschversuch im Oktober 1993 starben Ndadaye und Zehntausende Hutus. Der Putschversuch scheiterte – seitdem soll eine aus Hutus und Tutsi bestehende Koalitionsregierung Burundi regieren. Aber Stabilität ist seitdem nicht eingekehrt, zumal der erste Nachfolger Ndadayes, Cyprien Ntaryamira, im April 1994 bei einem Flugzeugabsturz zusammen mit seinem ruandischen Amtskollegen Juvenal Habyarimana getötet wurde. Einen neuen Präsidenten gab es erst ein halbes Jahr später: Der Hutu Sylvestre Ntibantunganya, der den Vereinbarungen zufolge die Macht mit einem Tutsi-Premierminister teilt. Diese Konstellation ist wie geschaffen für Extremisten beider Seiten: Hutu-Milizen haben mehrere Stadtviertel Bujumburas unter ihre Kontrolle gebracht und träumen davon, wie in Ruanda die Tutsi umzubringen. Die nach wie vor mächtige Tutsi-Armee und bewaffnete Tutsi-Banden halten ihrerseits andere Stadtviertel, und die Tutsi-Partei „Uprona“ erstritt erst im Februar durch einen Generalstreik den Rücktritt ihres Premierministers Anatole Kanyenkiko und seinen Ersatz durch Antoine Nduwayo. Wie viele Menschen in den Auseinandersetzungen der letzten Monate gestorben sind, ist nicht bekannt – es dürften Hunderte sein.
Man muß den Konflikt nicht durch die ethnische Brille betrachten. Viele Beobachter halten die Unterscheidung zwischen jenen, die ihre Pläne für Burundi in das Stichwort eines ethnisch reinen Staatswesens verkleiden, und denen, die einen Kompromiß zwischen allen Gruppierungen für nötig halten, für wichtiger als die zwischen Hutu und Tutsi, die erst in den letzten Jahren auch für die Bevölkerung zentral geworden sei. Abdallah, der für die UNO in Burundi die Stange hält, beschreibt die Lage als von „hundert Extremisten“ beider Seiten gesteuert. Sie müßten dadurch „neutralisiert“ werden, daß per Radiosendungen und Gesprächen mit „moderaten“ Politikern das gegenseitige Mißtrauen abgebaut werde. Dazu soll offenbar auch ein Besuch der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Spaniens dienen, der nach dem Anschlag auf die Belgier angekündigt wurde. Aber solange die Verfechter eines ethnisch reinen Burundi die Menschen aufeinanderhetzen, wird eine „fremde Einmischung“ wenig bewirken. Vielleicht war auch dies der Grund für den Anschlag auf die Belgier am Sonntag, die nach Augenzeugenberichten gar nicht „zufällig“, sondern ganz gezielt wegen ihrer Qualität als Ausländer getötet wurden. Dominic Johnson
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