Erster Kurde abgeschoben

■ Auch Baden-Württemberg gegen weiteren Abschiebestopp für Kurden aus der Türkei

Nürnberg/Berlin (taz/rtr/dpa) – Erstmals seit dem Auslaufen des Abschiebestopps für Kurden aus der Türkei wurde gestern ein Kurde aus Deutschland abgeschoben. Gegen Mittag setzten bayerische Grenzschützer den 30jährigen in München in ein Linienflugzeug nach Istanbul. Nach Angaben des Münchener Kreisverwaltungsreferenten Hans-Peter Uhl (CSU) handelt es sich bei dem Abgeschobenen um einen rechtskräftig verurteilten Heroinhändler, der zwei Drittel seiner dreijährigen Haftstrafe abgesessen habe. Uhl kündigte an, dies sei der „Startschuß“ für weitere Abschiebungen. Er habe 15 bis 20 Fälle in Vorbereitung.

Bei dem von Abschiebung bedrohten 29jährigen Kurden Fariz Simsek aus Augsburg kann weiterhin Suizidgefahr nicht ausgeschlossen werden. Dies habe, so erklärte sein Anwalt Michael Sack aus München, eine ärztliche Untersuchung ergeben. Ein Gutachten des staatlichen Gesundheitsamts liegt dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor, das über das weitere Vorgehen zu entscheiden hat. Bislang wurde Simseks Aufenthaltserlaubnis wochenweise verlängert. Er darf zumindest bis heute in Bayern bleiben. Amnesty international hatte die drohende Abschiebung des Kurden als ersten deutschen Fall zur internationalen „Urgent action“ erklärt, da Simsek entgegen der Zusicherung der dortigen Behörden in der Türkei Folter oder gar Tod drohten.

Der baden-württembergische Landtag hat sich inzwischen gegen eine Verlängerung des Abschiebestopps für Kurden aus der Türkei gewandt. Die oppositionellen Abgeordneten von Bündnis 90/ Die Grünen hatten im Landtag in einem Dringlichkeitsantrag gefordert, bis August 1995 keine Kurden in die Türkei abzuschieben. In namentlicher Abstimmung wurde der Antrag mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen von CDU und SPD abgelehnt. Die FDP und ein SPD-Parlamentarier unterstützten den Antrag. Vor der Abstimmung hatten die Abgeordneten erregt über den Beschluß des CDU/SPD-Kabinetts vom Wochenbeginn debattiert, den generellen Abschiebestopp aufzuheben und statt dessen differenzierte Einzelverfahren einzuführen. Der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Johannes Gerster bezeichnete die von einigen SPD-regierten Bundesländern verfügte Verlängerung des Abschiebestopps indessen als „Katastrophe“, die „brandgefährlich für die innere Sicherheit Deutschlands“ sei.