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Abschreckend ja, aber für wen?

■ Das Anti-Gewalt-Plakat von Mann-O-Meter, Polizei und Familiensenat

Die Polizei ist auch nicht mehr das, was sie mal war. In Frankfurt am Main rollten die Schutzmänner letztes Jahr zum Christopher- Street-Day mit der Gulaschkanone an, in Berlin kleben die Ordnungshüter für die homosexuellen Mitbürger immerhin Plakate: „Gewalt gegen Schwule – Wir sind für Dich da“ kann man derzeit in U-Bahnhöfen lesen, darunter eine arg gestellte Szene aus dem Tiergarten, bei der ein Polizist und ein Mitarbeiter des „Schwulen Überfalltelefons“ einem Gewaltopfer gemeinsam die Hand reichen.

Das Plakat, finanziert von Polizei, Mann-O-Meter und dem Familiensenat, soll abschrecken. Fragt sich bloß, wen. Vielleicht werden bösartig gesinnte Jugendliche angesichts des amtlichen Homo-Solidarität-Aushangs nun statt zum Schwulenticken lieber in die Videohalle ziehen, andererseits ist der Anblick von grünen Uniformen im Cruising-Gehölz auch nicht gerade für jeden Schwulen erwärmend. Mit dem erotischen Knistern ist es spätestens dann vorbei, wenn sich, ganz im Sinne der Gleichberechtigung, Polizistinnen als nächtliche Parkwächter andienen. Nur die Uniformfreunde haben allen Grund zum Jubeln und können mit großen Augen auf die Gummiknüppel schielen.

Natürlich hat das Plakat in erster Linie symbolische Wirkung. Älteren Homo-Semestern, die noch Razzien, Rosa Listen und §175 miterleben mußten, soll es zeigen, daß die Polizei nun auch ihr Freund und Helfer geworden ist, daß sich keiner mehr scheuen muß, nach einem Überfall Anzeige zu erstatten. Im Grunde genommen also eine Selbstverständlichkeit, entstanden zudem aus der kriminalistischen Motivation, die Aufklärungsrate bei antischwulen Verbrechen zu erhöhen. Die Nachahmung einer holländischen Aktion, bei der die Polizei gezielt um schwule Auszubildende warb, steht in Berlin dagegen noch aus.

Bleibt die von der Szene bislang nicht diskutierte Frage, ob Polizisten beim Cruising erwünscht sind. Aber was wäre die Alternative? Den Tiergarten einzäunen mit Waffenkontrollen am Eingang? Patrouillen der schwulen Kiez- Miliz? In jedem Busch eine Notrufsäule? Nur schwule Beamte einsetzen und sie damit in arge Gewissensnöte bringen? Aufs Outside- Cruising ganz verzichten? Oder die Schutzleute ignorieren? Ein Gutes haben die uniformierten Parkwächter: Angesichts ihrer umstrittenen Präsenz kommen die sonst wortkargen Schwestern endlich miteinander ins Gespräch. Und vielleicht bringt die Berliner Polizei ja auch mal ihre Gulaschkanone mit... Micha Schulze

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