: Hundert Jahre zweite Liga
■ So regelmäßig die Berliner Fußballvereine von der Bundesliga träumen, so kläglich scheitern sie / TeBe versucht es jetzt mit viel Geld und einem honorigen Freundeskreis
„Oh, wie ist das schön! So was hat man lange nicht gesehen, so schön, so schön.“ Dieses Liedchen ist jedem Fußballfan bekannt. Bei Tennis Borussia, von Eingeweihten nur TeBe genannt, war Mitte März der Vereinsführung zum Singen zumute. Meint sie doch, daß ihr in ihrem Bemühen, die derzeitige Regionalliga-Mannschaft von TeBe in die Bundesliga zu hieven, der große Coup geglückt ist.
Ein Freundeskreis wurde aus der Taufe gehoben, der den wegweisenden Namen „Bundesligafußball für Berlin“ trägt. Fußball- Promis wie Fritz Walter und Uwe Seeler sollen die Werbetrommel rühren, um finanzkräftige Sponsoren an Land zu ziehen. Und auch Franz Beckenbauer, langjähriger Freund des TeBe-Präsidenten Jack White, ist als Botschafter mit von der Partie. Bleibt abzuwarten, ob er sich hierbei eine dankbarere Rolle ausgesucht hat als bei seiner Botschaftertätigkeit für die Berliner Olympia GmbH. Zumindest bei TeBe ist man sich sicher, daß der Freundeskreis eine ganz tolle Sache ist. 35 Sponsoren haben sich bereits für drei Jahre verpflichtet. „Pro Saison ist jetzt schon ein hoher sechsstelliger Betrag gesichert“, so Hans Kluge, Koordinator des Freundeskreises. Man hoffe gar, in den Millionenbereich zu gelangen, verrät Kluge. Glaubt man den Vereinsoberen, ist der Aufstieg in den Profifußball mit Hilfe dieses Geldes überhaupt kein Problem mehr. Für das Jahr 2000 ist er angepeilt.
Die Bemühungen der Berliner Klubs, mit den finanzstarken Vereinen wie Borussia Dortmund oder Werder Bremen mitzuhalten, sind nicht neu. Ende der achtziger Jahre meinte man, nur eine Fusion zweier mittelprächtiger Klubs könne den Berliner Fußball retten. Fusionsgerüchte und Pläne in allen denkbaren Variationen geisterten durch die Medien und verschwanden wieder. In den Neunzigern wird die Wurzel des Übels nun in unzulänglicher Finanzkraft gesehen. Freundeskreise, Wirtschaftsräte und Sponsoren-Pools scheinen der Hit zu sein. Vergessen sind bei TeBe die Millionen, die Präsident White in der Saison 1993/94 in den Verein pumpte, um die Mannschaft in der zweiten Liga zu halten.
Doch auch das Geld des Musikproduzenten, der im bürgerlichen Leben auf den Namen Horst Nußbaum hört, konnte die Misere bei TeBe nicht mindern, geschweige denn aufhalten. An einem einzigen Spieltag stand die Mannschaft nicht auf einem Abstiegsplatz. Dabei hatte White bei seinem Amtsantritt 1992 vollmundig verkündet, in zwei Jahren solle TeBe in der Bundesliga spielen. Die Schuld an der miserablen Zweitliga-Vorstellung gab Vizepräsident Klaus-Volker Stolle seinerzeit der Einkaufspolitik von Trainer Willibert Kremer. Der wiederum hatte aber die Rückendeckung von White, mit dem er bereits in den Sechzigern gemeinsam beim damaligen Oberligisten Victoria Köln gekickt hatte.
Richtig sauer ist man über den Freundeskreis bei der Regionalliga-Konkurrenz in Köpenick. „Für den integrativen Charakter des Sports ist es wenig förderlich, daß wegen privater Freundschaften ein elitärer Klub mit wenig Herz, Seele und Anhang als künftiger Spitzenverein auserkoren wird“, ärgert sich der Vizepräsident vom 1. FC Union, Horst Reimann, über den TeBe-Freundeskreis. „In Charlottenburg schlägt nicht das Fußballherz von Berlin“, so Reimann. Das Verhältnis der beiden Vereine ist spätestens seit der Saison 1993/94 nachhaltig getrübt. Sportlich hatte sich Union für die zweite Liga qualifiziert. Die Lizenz sollte eine gefälschte Bankbürgschaft sichern. Als der Schwindel aufflog, durfte statt dessen TeBe seinen glücklosen Zweitliga-Ausflug starten.
Trotz schwacher Finanzlage will man an der Alten Försterei den dritten Versuch in Sachen Profi- Fußball starten. Die Lizenz, die letzte Saison wegen der schwachen Finanzlage verweigert wurde, ist erneut beantragt worden. „Zwei Profimannschaften kann Berlin gut vertragen, und mit Hertha stehen wir auch nicht in Konkurrenz“, gibt sich Reimann zuversichtlich.
Beim Zweitliga-Klub Hertha BSC, in der Vergangenheit selbst häufig genug in finanziellen Nöten, reagiert man auf den Freundeskreis gelassener als in Köpenick. „Das tangiert uns gar nicht. Neid und Mißgunst spielen da überhaupt keine Rolle“, kommentiert Hertha-Manager Wolfgang Levin, ganz fairer Sportsmann, den neuen TeBe-Sponsorenkreis. Eigene Erfahrungen mit einer ähnlichen Institution, dem Hertha-Wirtschaftsrat, waren wenig erfolgreich. „Es wird sich zeigen, ob TeBe diese Idee mit Leben füllen kann“, meint Levin. Schließlich wollen Sponsoren stets auch Einfluß auf die Vereinspolitik erlangen.
Und noch einer meldete sich anläßlich des Freundeskreises in der Boulevardpresse zu Wort: „TeBe wird in hundert Jahren nicht in der Bundesliga spielen“, höhnte aus München Bayern-Manager Uli Hoeneß. Gesa Schulz
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