: Zygmunt Bauman
Zygmunt Bauman, einer der profiliertesten Gesellschaftstheoretiker der Gegenwart, lehrte zuletzt Soziologie an der Universität von Leeds. Die Wendungen seiner intellektuellen Biographie folgen den Erfahrungen von Bedrohung und Gefahr, die der gebürtige Pole hat machen müssen: 1943, mit achtzehn Jahren, trat er dem Teil der polnischen Armee bei, der in Rußland gebildet wurde. Nach der Befreiung Warschaus studierte er dort Soziologie. Er war seit 1946 aktives Mitglied der KP Polens und überzeugter Kommunist. 1967, sagt Bauman, habe er „sein Jüdischsein wiederentdeckt“. Damals gab es in Polen eine antiintellektuelle Kampagne mit antisemitischen Motiven. Bauman trat aus der Partei aus und wurde als polnischer Jude in seinem Heimatland zum Fremden. Die Studentenrevolte in Warschau 1968 war der willkommene Anlaß, Bauman, Leszek Kolakowski und weitere vier Professoren aus der Uni zu entfernen. Auch seine Frau Janina verlor ihre Arbeit. 1968 wanderten die beiden mit ihren drei Töchtern nach Israel aus. 1971 wurde Bauman auf den Soziologie- Lehrstuhl nach Leeds berufen.
Nach einigen Jahren kristallisierten sich die Themen heraus, zu denen er bis heute arbeitet: Fremdheit und Ambivalenz, genauer gesagt: wie moderne und postmoderne Gesellschaften den Ausschluß des Fremden und den „Krieg gegen die Ambivalenz“ betreiben. Heftig debattiert wurde sein Auschwitz- Buch „Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust“ (Europäische Verlagsanstalt, 1992) wegen der darin vertretenen These, der Holocaust sei „ein Laboratorium der Moderne“ – seine Möglichkeit also begründet im Wesen der modernen Zivilisation.
Zygmunt Bauman ist der große Tragiker der zeitgenössischen Soziologie. Auch unser Text, der in einer längeren Fassung kürzlich in München als Vortrag beim Kongreß der „Neuen Gesellschaft für Psychologie“ gehalten wurde, ist, ungeachtet seines leichteren Themas, von einem tragischen Motiv bestimmt. jl
Foto: EVA
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