: Cool bleiben, kalt recherchieren
■ Hajo Friedrichs gibt im "Spiegel" exklusiv seinen Abschied. "BamS" weiß alles schon einen Tag früher
Von seinen Zuschauern, die ihm jahrelang Abend für Abend zugehört haben, wollte er sich persönlich verabschieden. Und so hat Hanns Joachim Friedrichs, von seinem Krebsleiden deutlich gezeichnet, Cordt Schnibben an sein Sterbebett gebeten. Daß das Fünfstundengespräch die heutige Spiegel- Titelstory ist, soll sich der Ex-Tagesthemen-Moderator persönlich gewünscht haben.
Mit Bedacht hat sich Friedrichs den Spiegel für sein journalistisches Testament ausgesucht. Seinen letzten Willen läßt man schließlich auch von einem seriösen Notar verfassen. Die Kopfjäger der Boulevardpresse sollten ihre schmutzige Arbeit alleine erledigen: „Wenn die sich schon soviel einbilden auf ihre pfiffigen Reporter, dann sollen sie mal zeigen, wie pfiffig sie sind.“
Wie pfiffig die Journaille ist, war dann gestern in der Bild am Sonntag nachzulesen: „Friedrich spricht über seinen Tod“ titelte das Blatt einen Tag vor Erscheinen des Spiegels in vier Zentimter hohen Lettern, und etwas kleiner: „Erschütterndes Abschiedsinterview des TV-Moderators“. Daß die Zitate „Ich werde die Fußball-EM 96 nicht mehr sehen“, oder: „Man sieht sich auf Wolke 7“ allesamt aus dem Spiegel abgeschrieben sind, versteckte die BamS natürlich bescheiden im Fließtext.
Die Leichenfledderei hat also schon wieder begonnen, noch bevor der Patient die Deadline erreicht hat. „Du kannst, wenn du über längere Zeit dein Gesicht im Fernsehen zeigst, viele Dinge nicht mehr tun, die andere Leute tun können“, so Friedrichs im Spiegel lakonisch, „auch nicht in Ruhe sterben.“ Das sei nun mal so.
Daß das tatsächlich so ist, mußten wir schon beim TV-Abschied von Werner Veigl hinnehmen. Und so scheint es wirklich immer noch der beste Weg zu sein, seinen letzten Gang in Begleitung des Spiegels anzutreten. Sorgsam hat Cordt Schnibben die medienwirksamen Zitate in einen großen Kontext gestellt. Da geht es tatsächlich um die Rückschau eines Lebens, und nicht nur um die „ganz dünnen Beinchen“, die Friedrichs an sein Krankenhausbett fesseln. „Cool bleiben, nicht kalt“, hat Schnibben sein Interview übertitelt. Man muß ihm dafür danken, daß er sich um Seriosität bemüht hat, so weit das die Situation überhaupt zuließ. Daß es allerdings sein Blatt nicht vermochte, das Exklusivgespräch wirklich bis zum Montag geheim zu halten, und es so möglich wurde, daß die nekrophilen Stellen des Interviews dann sogar vorab über den dpa-Ticker verbreitet wurden, straft jedes Verständnis für Friedrichs verzwickte Lage Lüge: Der Spiegel als Helfershelfer der „pfiffigen“ Journaille – das ist nicht nur boulevardesk. Das ist geradezu widerlich. Klaudia Brunst
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