: Leichen im Keller nicht erwünscht
■ Streit um Bunkeranlagen der ehemaligen Neuen Reichskanzlei geht weiter: Senat will Einebnung, Bündnisgrüne und Archäologisches Landesamt für Denkmalschutz
Fast drei Jahre währt der Streit, und es hat den Anschein, als würde es eine Entscheidung so schnell auch nicht geben. Stein des Anstoßes sind die Reste der Bunker unter der ehemaligen Neuen Reichskanzlei in der Wilhelmstraße. Während Denkmalschützer und Bündnis 90/Die Grünen die Bunkerreste erhalten wollen, plädiert der Kultursenator für Einebnung. Ein nun vorliegender Bebauungsplanentwurf für das Gelände, auf dem 1996 mit dem Bau der Ländervertretungen begonnen werden soll, sieht vor, daß das Gelände „tiefenenttrümmert“ werden kann.
Kurz nachdem 1992 bei Erdarbeiten für das Roger-Waters- Spektakel „The Wall“ der Eingang zum „Fahrerbunker“ von Hitlers Leibstandarte freigelegt wurde und zahlreiche Wandgemälde der SS entdeckt wurden, hatte der Streit begonnen. Eignet sich die „Banalität des Bösen“, um an dieser Stelle an die Schreckensherrschaft der Nazis zu erinnern? Schafft man nicht eher einen Wallfahrtsort für Nazis?
Ein vom Abgeordnetenhaus damals in Auftrag gegebenes Gutachten des Leiters des Archäologischen Landesamtes, Alfred Kernd'l, kam 1993 schließlich zum Ergebnis, daß die Bunkeranlagen unter Denkmalschutz gestellt werden müßten. Das Gutachten selbst wurde den Abgeordneten von der Kulturverwaltung freilich erst im Dezember 1994 zugestellt. Kultursenator Roloff-Momin, anfänglich selbst für die Unterschutzstellung, hatte in der Zwischenzeit seine Meinung geändert und Reinhard Rürup von der Stiftung „Topographie des Terrors“ mit einem weiteren Gutachten beauftragt. Rürup meinte, daß insbesondere der „Fahrerbunker“ ein „beliebiger Schutzbau ohne jede Besonderheit“ sei.
Ganz anderer Meinung ist dagegen Bunkerexperte Dietmar Arnold. Er fordert, die Bunkerreste der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die SS-Malereien mit ihrem „dilettantischen Fanatismus“ zeigten schließlich, „daß die Fahrer des Führers genauso dachten wie Hitler selbst“. Hinter den Einebnungsplänen, so Arnold, steckten vor allem die Ländervertretungen, die bei ihrem Bau keine „Leichen im Keller haben wollen“.
Unterstützung bekommt die Forderung nach einer denkmalpflegerischen Lösung für die Bunkerreste nun auch von Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben einen entsprechenden Antrag im Abgeordnetenhaus eingebracht, der im Mai im Kulturausschuß diskutiert werden soll. „Wir wollen keinen geschichtslosen Umgang“, begründet der grüne Kulturpolitiker Albert Eckert den Vorstoß. Für eine Gedenkstätte freilich plädieren die Bündnisgrünen nicht. Eckert kann sich aber vorstellen, in den Ländervertretungen einen Teil der Anlagen „etwa mit einer gläsernen Decke“ sichtbar zu halten.
Zwar ist das Parlament in Sachen Abriß oder Denkmalschutz nicht zustimmungspflichtig, „aber eine Debatte, die auch vom Abgeordnetenhaus initiiert wurde, muß auch vom Parlament mit entschieden werden“, meint zumindest Landesarchäologe Kernd'l. Der Berliner Senat ist sich da freilich nicht so sicher. „Eine Nacht-und- Nebel-Aktion aber“, verspricht die Sprecherin des Bausenators Wolfgang Nagel, „wird es nicht geben.“ Zudem sei nicht einmal geklärt, ob die Bunkerreste so einfach abgerissen werden könnten. Uwe Rada
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