: Jagflugzeuge statt Kindergartenplätze
■ Auftakt der Haushaltsschlußberatung / Bundestag lehnt Konversion von Rüstungsausgaben ab / Netto-Neuverschuldung beläuft sich auf 49 Milliarden Mark
Bonn (taz) – Der Koalitionsmehrheit ist die Entwicklung des sündhaft teuren Kampfflugzeugs „Eurofighter“ wichtiger als die Vollversorgung von Familien mit dringend benötigten Kindergartenplätzen. Zum Auftakt der viertägigen Schlußberatungen zum Bundeshaushalt 1995 lehnten die Abgeordneten gestern den Antrag der Bündnisgrünen ab, innerhalb von drei Jahren aus dem Rüstungshaushalt 5,25 Milliarden Mark für den Bau von 600.000 Kindergartenplätzen umzuschichten.
Der haushaltspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Oswald Metzger, nannte es „unlauter“, daß der Bundestag zwar den Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze 1992 festgeschrieben hat, sich aber nun nicht an deren Finanzierung beteiligen wolle. Metzger rechnete vor, daß der Investitionsanteil im Verteidigungshaushalt wegen des Personalabbaus bei der Bundeswehr in den kommenden drei Jahren um bis zu 30 Prozent ansteigen werde. Der Abgeordnete forderte, mit der Kürzung dieser Investitionen zugunsten von Kindergartenplätzen ein Signal zu setzen. Einen weiteren Sozialabbau, wie ihn die Regierung plane, würden Bürgerinnen und Bürger nicht mehr hinnehmen.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ingrid Matthäus- Maier wies ebenfalls die Pläne der Regierung für Einschnitte in die Sozial- und Arbeitslosenhilfe zurück. Die Abgabenbelastung sei ebenso wie die Staatsverschuldung die höchste aller Zeiten, warf sie der Regierung vor. Die Freistellung des Existenzminimums nannten die Sozialdemokraten ungenügend. Der SPD-Abgeordnete Karl Diller warnte Finanzminister Waigel davor, von den Ländern im Rahmen des föderalen Finanzausgleichs zugesagte Mittel in Höhe von 12 bis 14 Milliarden Mark zurückzufordern: „Wenn Sie da ein Faß aufmachen wollen, dann fliegt Ihnen einiges um die Ohren.“
Finanzminister Waigel wies den SPD-Vorwurf einer „beispiellosen Verschuldungspolitik“ zurück. Die von der Opposition geforderte Anhebung des Existenzminimums sei „nicht verfassungsmäßig notwendig“, erklärte der CSU-Politiker. Im laufenden Jahr schon würden bei den Ländern Mittel frei, die nach den Absprachen von 1992 dem Bund zustünden.
Gegen die Oppositionsstimmen billigte der Bundestag in zweiter Lesung die für dieses Jahr geplante Netto-Neuverschuldung von 49 Milliarden Mark. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Ausgaben im Bundesetat um 1,3 Prozent auf 477,7 Milliarden Mark. 72 Milliarden sind für Investitionen vorgesehen. Der Einzelhaushalt von Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU), der bei der Sozialhilfe sparen und die Leistungen für Ausländer einschränken will, soll am heutigen späten Nachmittag beraten werden. Hans Monath
Siehe auch Tagesthema Seite 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen